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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Meine Feder fährt jezt im Erdschatten des
Globus so fort: Wuz führt in seinem Hause nicht
drei gescheuete Stühle, keine Fenstervorhänge und
Hautelisse-Tapeten. Indeß mein zu prunkendes
Ammeublement in Scheerau steht: letz' ich mich hier
an dem jämmerlichsten und sage, ein Fürst weiset
kaum in einer artistischen Einsiedelei ein elenderes
vor. Sogar den Kalender schreiben wir uns, ich
und mein Hausherr, eigenhändig wie Mitglieder der
Berliner Akademie -- aber mit Kreide und an die
Stubenthüre; jede Woche ediren wir ein Heft oder
eine Woche von unserem Almanach und wischen die
Vergangenheit aus. Auf dem vierschrötigen Ofen
können drei Paare tanzen, die er wie die jezigen
Tragödien trotz dem unförmlichen Apparate schlecht
erwärmen kann: es muß noch zu Hand- und Ta¬
schenöfen kommen, wenn man einmal aus den Berg¬
werken statt der Metalle das Holz, womit man sie
jezt ausfüttert, wird holen müssen. . . .

Ein Schöps wird entsetzlich geprügelt, nämlich
sein todter Schenkel -- die zinnernen Pathenteller
der zwei Wuzischen Kinder werden abgestäubt -- --
mein Silber-Besteck wird abgeborgt -- das Feuer
knackt -- die Wuzin rennt -- ihre Kinder und Vö¬

Meine Feder faͤhrt jezt im Erdſchatten des
Globus ſo fort: Wuz fuͤhrt in ſeinem Hauſe nicht
drei geſcheuete Stuͤhle, keine Fenſtervorhaͤnge und
Hauteliſſe-Tapeten. Indeß mein zu prunkendes
Ammeublement in Scheerau ſteht: letz' ich mich hier
an dem jaͤmmerlichſten und ſage, ein Fuͤrſt weiſet
kaum in einer artiſtiſchen Einſiedelei ein elenderes
vor. Sogar den Kalender ſchreiben wir uns, ich
und mein Hausherr, eigenhaͤndig wie Mitglieder der
Berliner Akademie — aber mit Kreide und an die
Stubenthuͤre; jede Woche ediren wir ein Heft oder
eine Woche von unſerem Almanach und wiſchen die
Vergangenheit aus. Auf dem vierſchroͤtigen Ofen
koͤnnen drei Paare tanzen, die er wie die jezigen
Tragoͤdien trotz dem unfoͤrmlichen Apparate ſchlecht
erwaͤrmen kann: es muß noch zu Hand- und Ta¬
ſchenoͤfen kommen, wenn man einmal aus den Berg¬
werken ſtatt der Metalle das Holz, womit man ſie
jezt ausfuͤttert, wird holen muͤſſen. . . .

Ein Schoͤps wird entſetzlich gepruͤgelt, naͤmlich
ſein todter Schenkel — die zinnernen Pathenteller
der zwei Wuziſchen Kinder werden abgestaͤubt — —
mein Silber-Beſteck wird abgeborgt — das Feuer
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[382/0418] Meine Feder faͤhrt jezt im Erdſchatten des Globus ſo fort: Wuz fuͤhrt in ſeinem Hauſe nicht drei geſcheuete Stuͤhle, keine Fenſtervorhaͤnge und Hauteliſſe-Tapeten. Indeß mein zu prunkendes Ammeublement in Scheerau ſteht: letz' ich mich hier an dem jaͤmmerlichſten und ſage, ein Fuͤrſt weiſet kaum in einer artiſtiſchen Einſiedelei ein elenderes vor. Sogar den Kalender ſchreiben wir uns, ich und mein Hausherr, eigenhaͤndig wie Mitglieder der Berliner Akademie — aber mit Kreide und an die Stubenthuͤre; jede Woche ediren wir ein Heft oder eine Woche von unſerem Almanach und wiſchen die Vergangenheit aus. Auf dem vierſchroͤtigen Ofen koͤnnen drei Paare tanzen, die er wie die jezigen Tragoͤdien trotz dem unfoͤrmlichen Apparate ſchlecht erwaͤrmen kann: es muß noch zu Hand- und Ta¬ ſchenoͤfen kommen, wenn man einmal aus den Berg¬ werken ſtatt der Metalle das Holz, womit man ſie jezt ausfuͤttert, wird holen muͤſſen. . . . Ein Schoͤps wird entſetzlich gepruͤgelt, naͤmlich ſein todter Schenkel — die zinnernen Pathenteller der zwei Wuziſchen Kinder werden abgestaͤubt — — mein Silber-Beſteck wird abgeborgt — das Feuer knackt — die Wuzin rennt — ihre Kinder und Voͤ¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/418>, abgerufen am 24.11.2024.