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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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weiterung seines Wirkungskreises war: "er konnte
nach der Ablösung vom Gesandschaftsposten in einem
Kollegium angestellet werden und da dem liegenden
Lande aufhelfen u. s. w." Kurz die gröste Schönheit
Beatens hätt' ihn nun nicht dahin bringen können,
sie zu -- meiden.

Ueberhaupt schälte ihn der Romanschreiber so eif¬
rig aus seiner militairischen Hülse, daß man da er,
wie Ehemänner und Fürsten, den Zügel öfter im
passiven Munde als in den aktiven Händen hatte
-- hätte denken sollen, er werde gelenkt, um zu len¬
ken; aber ich denk' es nicht.

Gustav legte die Abschiedsvisite bei Amandus
ab. Ein gutes Mittel, dem zu vergeben, den eine
eingebildete Beleidigung auf uns erbitterte, ist ihm
eine wahre anzuthun -- Gustav dachte in den freiwil¬
ligen Umwegen von Gassen, durch die er zu seinem
gekränkten Amandus gieng, an die Beata, die jezt
seine Wandnachbarin wurde, an die Liebe und den
Verdacht seines Freundes, an die Unmöglichkeit, den
Verdacht zu heben; und da gerade um 6 Uhr vom ei¬
sernen Orchester um dem Stephans Thurm die abend¬
liche Sphärenmusik in die Gassen niederfloß: so sank
sein Herz in die Musik hinein und er brachte seinem

weiterung ſeines Wirkungskreiſes war: „er konnte
nach der Abloͤſung vom Geſandſchaftspoſten in einem
Kollegium angeſtellet werden und da dem liegenden
Lande aufhelfen u. ſ. w.“ Kurz die groͤſte Schoͤnheit
Beatens haͤtt' ihn nun nicht dahin bringen koͤnnen,
ſie zu — meiden.

Ueberhaupt ſchaͤlte ihn der Romanſchreiber ſo eif¬
rig aus ſeiner militairiſchen Huͤlſe, daß man da er,
wie Ehemaͤnner und Fuͤrſten, den Zuͤgel oͤfter im
paſſiven Munde als in den aktiven Haͤnden hatte
— haͤtte denken ſollen, er werde gelenkt, um zu len¬
ken; aber ich denk' es nicht.

Guſtav legte die Abſchiedsviſite bei Amandus
ab. Ein gutes Mittel, dem zu vergeben, den eine
eingebildete Beleidigung auf uns erbitterte, iſt ihm
eine wahre anzuthun — Guſtav dachte in den freiwil¬
ligen Umwegen von Gaſſen, durch die er zu ſeinem
gekraͤnkten Amandus gieng, an die Beata, die jezt
ſeine Wandnachbarin wurde, an die Liebe und den
Verdacht ſeines Freundes, an die Unmoͤglichkeit, den
Verdacht zu heben; und da gerade um 6 Uhr vom ei¬
ſernen Orcheſter um dem Stephans Thurm die abend¬
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[357/0393] weiterung ſeines Wirkungskreiſes war: „er konnte nach der Abloͤſung vom Geſandſchaftspoſten in einem Kollegium angeſtellet werden und da dem liegenden Lande aufhelfen u. ſ. w.“ Kurz die groͤſte Schoͤnheit Beatens haͤtt' ihn nun nicht dahin bringen koͤnnen, ſie zu — meiden. Ueberhaupt ſchaͤlte ihn der Romanſchreiber ſo eif¬ rig aus ſeiner militairiſchen Huͤlſe, daß man da er, wie Ehemaͤnner und Fuͤrſten, den Zuͤgel oͤfter im paſſiven Munde als in den aktiven Haͤnden hatte — haͤtte denken ſollen, er werde gelenkt, um zu len¬ ken; aber ich denk' es nicht. Guſtav legte die Abſchiedsviſite bei Amandus ab. Ein gutes Mittel, dem zu vergeben, den eine eingebildete Beleidigung auf uns erbitterte, iſt ihm eine wahre anzuthun — Guſtav dachte in den freiwil¬ ligen Umwegen von Gaſſen, durch die er zu ſeinem gekraͤnkten Amandus gieng, an die Beata, die jezt ſeine Wandnachbarin wurde, an die Liebe und den Verdacht ſeines Freundes, an die Unmoͤglichkeit, den Verdacht zu heben; und da gerade um 6 Uhr vom ei¬ ſernen Orcheſter um dem Stephans Thurm die abend¬ liche Sphaͤrenmuſik in die Gaſſen niederfloß: ſo ſank ſein Herz in die Muſik hinein und er brachte ſeinem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/393>, abgerufen am 24.11.2024.