Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

sendete Großsultan in einer gewissen Scene im
Buch zu agiren hatte -- aber jezt zerbrachen die
militairischen Uebungen beinahe seinen porzellainen
Leib und der Romancier schlepte ihn in die Gesell¬
schaft des Vaters aller Friedenstraktaten, nämlich
des Kriegs.

Vor Gustav stand, seit seinem Zerfallen mit
seinem sterbenden Liebling, jener Trauerabend
mit seinen Thränen und wich nicht -- auf sein
verlassenes Herz schimmerte noch die blutrothe Son¬
ne und gieng nicht unter. -- Der stumme Abschied
des Amandus, der ihn und andre Wünsche ver¬
lohr, die abnehmenden Decembertage seines Lebens
und die vorige Liebe drückten sein Auge und Herz
zum Trauern zusammen. Die Freundschaft duldet
Mißhelligkeiten weniger als die Liebe; diese kitzelt
damit das Herz, jene spaltet es damit. Aman¬
dus, der ihn so mißverstanden und betrübet und
doch dessen innigste Liebe nicht verlohren hatte, ver¬
zieh ihm alles bis abends um 5 Uhr -- dann hört' er
(oder es war ihm genug, wenn er sichs nur dachte)
daß Gustav den Park (und mithin die Spatziergän¬
gerin) besucht hatte -- denn nahm er seine Versöh¬
nung bis auf 11 Uhr abends zurück -- dann legte die

ſendete Großſultan in einer gewiſſen Scene im
Buch zu agiren hatte — aber jezt zerbrachen die
militairiſchen Uebungen beinahe ſeinen porzellainen
Leib und der Romancier ſchlepte ihn in die Geſell¬
ſchaft des Vaters aller Friedenstraktaten, naͤmlich
des Kriegs.

Vor Guſtav ſtand, ſeit ſeinem Zerfallen mit
ſeinem ſterbenden Liebling, jener Trauerabend
mit ſeinen Thraͤnen und wich nicht — auf ſein
verlaſſenes Herz ſchimmerte noch die blutrothe Son¬
ne und gieng nicht unter. — Der ſtumme Abſchied
des Amandus, der ihn und andre Wuͤnſche ver¬
lohr, die abnehmenden Decembertage ſeines Lebens
und die vorige Liebe druͤckten ſein Auge und Herz
zum Trauern zuſammen. Die Freundſchaft duldet
Mißhelligkeiten weniger als die Liebe; dieſe kitzelt
damit das Herz, jene ſpaltet es damit. Aman¬
dus, der ihn ſo mißverſtanden und betruͤbet und
doch deſſen innigſte Liebe nicht verlohren hatte, ver¬
zieh ihm alles bis abends um 5 Uhr — dann hoͤrt' er
(oder es war ihm genug, wenn er ſichs nur dachte)
daß Guſtav den Park (und mithin die Spatziergaͤn¬
gerin) beſucht hatte — denn nahm er ſeine Verſoͤh¬
nung bis auf 11 Uhr abends zuruͤck — dann legte die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0386" n="350"/>
&#x017F;endete Groß&#x017F;ultan in einer gewi&#x017F;&#x017F;en Scene im<lb/>
Buch zu agiren hatte &#x2014; aber jezt zerbrachen die<lb/>
militairi&#x017F;chen Uebungen beinahe &#x017F;einen porzellainen<lb/>
Leib und der <hi rendition="#aq">Romancier</hi> &#x017F;chlepte ihn in die Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft des Vaters aller Friedenstraktaten, na&#x0364;mlich<lb/>
des Kriegs.</p><lb/>
          <p>Vor Gu&#x017F;tav &#x017F;tand, &#x017F;eit &#x017F;einem Zerfallen mit<lb/>
&#x017F;einem &#x017F;terbenden Liebling, jener Trauerabend<lb/>
mit &#x017F;einen Thra&#x0364;nen und wich nicht &#x2014; auf &#x017F;ein<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;enes Herz &#x017F;chimmerte noch die blutrothe Son¬<lb/>
ne und gieng nicht unter. &#x2014; Der &#x017F;tumme Ab&#x017F;chied<lb/>
des Amandus, der ihn und andre Wu&#x0364;n&#x017F;che ver¬<lb/>
lohr, die abnehmenden Decembertage &#x017F;eines Lebens<lb/>
und die vorige Liebe dru&#x0364;ckten &#x017F;ein Auge und Herz<lb/>
zum Trauern zu&#x017F;ammen. Die Freund&#x017F;chaft duldet<lb/>
Mißhelligkeiten weniger als die Liebe; die&#x017F;e kitzelt<lb/>
damit <choice><sic>daß</sic><corr>das</corr></choice> Herz, jene &#x017F;paltet es damit. Aman¬<lb/>
dus, der ihn &#x017F;o mißver&#x017F;tanden und betru&#x0364;bet und<lb/>
doch de&#x017F;&#x017F;en innig&#x017F;te Liebe nicht verlohren hatte, ver¬<lb/>
zieh ihm alles bis abends um 5 Uhr &#x2014; dann ho&#x0364;rt' er<lb/>
(oder es war ihm genug, wenn er &#x017F;ichs nur dachte)<lb/>
daß <choice><sic>Ga&#x017F;tav</sic><corr>Gu&#x017F;tav</corr></choice> den Park (und mithin die Spatzierga&#x0364;<lb/>
gerin) be&#x017F;ucht hatte &#x2014; denn nahm er &#x017F;eine Ver&#x017F;o&#x0364;<lb/>
nung bis auf 11 Uhr abends zuru&#x0364;ck &#x2014; dann legte die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0386] ſendete Großſultan in einer gewiſſen Scene im Buch zu agiren hatte — aber jezt zerbrachen die militairiſchen Uebungen beinahe ſeinen porzellainen Leib und der Romancier ſchlepte ihn in die Geſell¬ ſchaft des Vaters aller Friedenstraktaten, naͤmlich des Kriegs. Vor Guſtav ſtand, ſeit ſeinem Zerfallen mit ſeinem ſterbenden Liebling, jener Trauerabend mit ſeinen Thraͤnen und wich nicht — auf ſein verlaſſenes Herz ſchimmerte noch die blutrothe Son¬ ne und gieng nicht unter. — Der ſtumme Abſchied des Amandus, der ihn und andre Wuͤnſche ver¬ lohr, die abnehmenden Decembertage ſeines Lebens und die vorige Liebe druͤckten ſein Auge und Herz zum Trauern zuſammen. Die Freundſchaft duldet Mißhelligkeiten weniger als die Liebe; dieſe kitzelt damit das Herz, jene ſpaltet es damit. Aman¬ dus, der ihn ſo mißverſtanden und betruͤbet und doch deſſen innigſte Liebe nicht verlohren hatte, ver¬ zieh ihm alles bis abends um 5 Uhr — dann hoͤrt' er (oder es war ihm genug, wenn er ſichs nur dachte) daß Guſtav den Park (und mithin die Spatziergaͤn¬ gerin) beſucht hatte — denn nahm er ſeine Verſoͤh¬ nung bis auf 11 Uhr abends zuruͤck — dann legte die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/386
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/386>, abgerufen am 23.07.2024.