vielleicht in seinem wärmsten Innersten eine Achtung für sie keimte, die zu zart und heilig war, in der freien harten Luft des Gesprächs auszudauern. "Und sie war natürlich neulich mit in Maussenbach?" sagte der Eifersüchtige im fatalsten Tone -- "Ja!" aber so viel vermochte Gustav nicht beizufügen, daß sie da kein Wort mit ihm gesprochen. Dieses dennoch un¬ erwartete Ja zerstückte auf einmal des Fragers Ge¬ sicht, der seinen Stumpf in die Höhe gehalten (falls die Hand wäre abgeschossen gewesen) und ge¬ schworen hätte, "es brauche weiter keines Beweises -- Gustav halte Beaten sichtlich in seinem magneti¬ schen Wirbel -- schweig' er nicht jezt? ließ er ihr das Bildniß nicht so gleich? wird sie, da sie die Ko¬ pien verwechselte, nicht auch die Originale verwech¬ seln, da sie sich alle vier so gleichen u. s. w."
Amandus liebte sie und dachte, man lieb ihn auch, und man merke wo er hinaus wolle. Er hatte Delikatesse genug in seinen eignen Handlungen, aber nicht genug in den Vermuthungen, die er von fremden hegte. Er hatte Beaten nämlich oft an der medizinischen Seite seines Vaters als Patientin in Maussenbach besucht; er hatte von ihr jene frei¬ müthige Zutraulichkeit erfahren, die viele Mädgen
vielleicht in ſeinem waͤrmſten Innerſten eine Achtung fuͤr ſie keimte, die zu zart und heilig war, in der freien harten Luft des Geſpraͤchs auszudauern. „Und ſie war natuͤrlich neulich mit in Mauſſenbach?“ ſagte der Eiferſuͤchtige im fatalſten Tone — „Ja!“ aber ſo viel vermochte Guſtav nicht beizufuͤgen, daß ſie da kein Wort mit ihm geſprochen. Dieſes dennoch un¬ erwartete Ja zerſtuͤckte auf einmal des Fragers Ge¬ ſicht, der ſeinen Stumpf in die Hoͤhe gehalten (falls die Hand waͤre abgeſchoſſen geweſen) und ge¬ ſchworen haͤtte, „es brauche weiter keines Beweiſes — Guſtav halte Beaten ſichtlich in ſeinem magneti¬ ſchen Wirbel — ſchweig' er nicht jezt? ließ er ihr das Bildniß nicht ſo gleich? wird ſie, da ſie die Ko¬ pien verwechſelte, nicht auch die Originale verwech¬ ſeln, da ſie ſich alle vier ſo gleichen u. ſ. w.“
Amandus liebte ſie und dachte, man lieb ihn auch, und man merke wo er hinaus wolle. Er hatte Delikateſſe genug in ſeinen eignen Handlungen, aber nicht genug in den Vermuthungen, die er von fremden hegte. Er hatte Beaten naͤmlich oft an der mediziniſchen Seite ſeines Vaters als Patientin in Mauſſenbach beſucht; er hatte von ihr jene frei¬ muͤthige Zutraulichkeit erfahren, die viele Maͤdgen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0370"n="334"/>
vielleicht in ſeinem waͤrmſten Innerſten eine Achtung<lb/>
fuͤr ſie keimte, die zu zart und heilig war, in der<lb/>
freien harten Luft des Geſpraͤchs auszudauern. „Und<lb/>ſie war natuͤrlich neulich mit in Mauſſenbach?“ſagte<lb/>
der Eiferſuͤchtige im fatalſten Tone —„Ja!“ aber<lb/>ſo viel vermochte Guſtav nicht beizufuͤgen, daß ſie da<lb/>
kein Wort mit ihm geſprochen. Dieſes dennoch un¬<lb/>
erwartete Ja zerſtuͤckte auf einmal des Fragers Ge¬<lb/>ſicht, der ſeinen Stumpf in die Hoͤhe gehalten (falls<lb/>
die Hand waͤre abgeſchoſſen geweſen) und ge¬<lb/>ſchworen haͤtte, „es brauche weiter keines Beweiſes<lb/>— Guſtav halte Beaten ſichtlich in ſeinem magneti¬<lb/>ſchen Wirbel —ſchweig' er nicht jezt? ließ er ihr<lb/>
das Bildniß nicht ſo gleich? wird ſie, da ſie die Ko¬<lb/>
pien verwechſelte, nicht auch die Originale verwech¬<lb/>ſeln, da ſie ſich alle vier ſo gleichen u. ſ. w.“</p><lb/><p>Amandus liebte ſie und dachte, man lieb ihn<lb/>
auch, und man merke wo er hinaus wolle. Er hatte<lb/>
Delikateſſe genug in ſeinen eignen <hirendition="#g">Handlungen</hi>,<lb/>
aber nicht genug in den <hirendition="#g">Vermuthungen</hi>, die er<lb/>
von fremden hegte. Er hatte Beaten naͤmlich oft an<lb/>
der mediziniſchen Seite ſeines Vaters als Patientin<lb/>
in Mauſſenbach beſucht; er hatte von ihr jene frei¬<lb/>
muͤthige Zutraulichkeit erfahren, die viele Maͤdgen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[334/0370]
vielleicht in ſeinem waͤrmſten Innerſten eine Achtung
fuͤr ſie keimte, die zu zart und heilig war, in der
freien harten Luft des Geſpraͤchs auszudauern. „Und
ſie war natuͤrlich neulich mit in Mauſſenbach?“ ſagte
der Eiferſuͤchtige im fatalſten Tone — „Ja!“ aber
ſo viel vermochte Guſtav nicht beizufuͤgen, daß ſie da
kein Wort mit ihm geſprochen. Dieſes dennoch un¬
erwartete Ja zerſtuͤckte auf einmal des Fragers Ge¬
ſicht, der ſeinen Stumpf in die Hoͤhe gehalten (falls
die Hand waͤre abgeſchoſſen geweſen) und ge¬
ſchworen haͤtte, „es brauche weiter keines Beweiſes
— Guſtav halte Beaten ſichtlich in ſeinem magneti¬
ſchen Wirbel — ſchweig' er nicht jezt? ließ er ihr
das Bildniß nicht ſo gleich? wird ſie, da ſie die Ko¬
pien verwechſelte, nicht auch die Originale verwech¬
ſeln, da ſie ſich alle vier ſo gleichen u. ſ. w.“
Amandus liebte ſie und dachte, man lieb ihn
auch, und man merke wo er hinaus wolle. Er hatte
Delikateſſe genug in ſeinen eignen Handlungen,
aber nicht genug in den Vermuthungen, die er
von fremden hegte. Er hatte Beaten naͤmlich oft an
der mediziniſchen Seite ſeines Vaters als Patientin
in Mauſſenbach beſucht; er hatte von ihr jene frei¬
muͤthige Zutraulichkeit erfahren, die viele Maͤdgen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/370>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.