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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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zu beiden zu sagen: Sie dankte Ihnen, wenn
Sie das Bild gefunden hätten" -- Amandus bück¬
te sich tief und erboßet, Gustav war weg als stän¬
de sein Geist auf dem Berg Horeb und hier bloß
der Leib -- sie wandelte, als war's ihre Absicht
gewesen, gerade über den Berg hinüber, mit den
eignen Augen auf dem Bilde und mit den vier
fremden auf ihrem Rücken. . .

"Jezt sind ja deine fünf Tage heraus, und oh¬
ne deinen Meineid" sagte Amandus erzürnet und die
hohe Oper des Sonnen-Untergangs rührte ihn nicht
mehr; Gustaven rührte sie noch stärker: denn das
Gefühl, Unrecht zu leiden, floß mit dem falschen Ge¬
fühl, Unrecht angethan zu haben -- feine Seelen
geben in solchen Fällen dem andern allzeit mehr
Recht als sich -- in Eine bittere Thräne zusammen
und er konnte kein Wort sagen. Amandus, der sich
jezt über seine Versöhnung ärgerte, wurd' in seinem
eifersüchtigen Verdacht noch dadurch befestigt, daß
Gustav in der pragmatischen Relation, die er ihm
von der Maussenbacher Avantüre gemacht, Beaten
völlig ausgelassen; allein diese Elision hatte Gustav
angebracht, weil ihn beim ganzen Vorfall gerade
Beatens Gegenwart am meisten schmerzte und weil

zu beiden zu ſagen: Sie dankte Ihnen, wenn
Sie das Bild gefunden haͤtten“ — Amandus buͤck¬
te ſich tief und erboßet, Guſtav war weg als ſtaͤn¬
de ſein Geiſt auf dem Berg Horeb und hier bloß
der Leib — ſie wandelte, als war's ihre Abſicht
geweſen, gerade uͤber den Berg hinuͤber, mit den
eignen Augen auf dem Bilde und mit den vier
fremden auf ihrem Ruͤcken. . .

„Jezt ſind ja deine fuͤnf Tage heraus, und oh¬
ne deinen Meineid“ ſagte Amandus erzuͤrnet und die
hohe Oper des Sonnen-Untergangs ruͤhrte ihn nicht
mehr; Guſtaven ruͤhrte ſie noch ſtaͤrker: denn das
Gefuͤhl, Unrecht zu leiden, floß mit dem falſchen Ge¬
fuͤhl, Unrecht angethan zu haben — feine Seelen
geben in ſolchen Faͤllen dem andern allzeit mehr
Recht als ſich — in Eine bittere Thraͤne zuſammen
und er konnte kein Wort ſagen. Amandus, der ſich
jezt uͤber ſeine Verſoͤhnung aͤrgerte, wurd' in ſeinem
eiferſuͤchtigen Verdacht noch dadurch befeſtigt, daß
Guſtav in der pragmatiſchen Relation, die er ihm
von der Mauſſenbacher Avantuͤre gemacht, Beaten
voͤllig ausgelaſſen; allein dieſe Eliſion hatte Guſtav
angebracht, weil ihn beim ganzen Vorfall gerade
Beatens Gegenwart am meiſten ſchmerzte und weil

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[333/0369] zu beiden zu ſagen: Sie dankte Ihnen, wenn Sie das Bild gefunden haͤtten“ — Amandus buͤck¬ te ſich tief und erboßet, Guſtav war weg als ſtaͤn¬ de ſein Geiſt auf dem Berg Horeb und hier bloß der Leib — ſie wandelte, als war's ihre Abſicht geweſen, gerade uͤber den Berg hinuͤber, mit den eignen Augen auf dem Bilde und mit den vier fremden auf ihrem Ruͤcken. . . „Jezt ſind ja deine fuͤnf Tage heraus, und oh¬ ne deinen Meineid“ ſagte Amandus erzuͤrnet und die hohe Oper des Sonnen-Untergangs ruͤhrte ihn nicht mehr; Guſtaven ruͤhrte ſie noch ſtaͤrker: denn das Gefuͤhl, Unrecht zu leiden, floß mit dem falſchen Ge¬ fuͤhl, Unrecht angethan zu haben — feine Seelen geben in ſolchen Faͤllen dem andern allzeit mehr Recht als ſich — in Eine bittere Thraͤne zuſammen und er konnte kein Wort ſagen. Amandus, der ſich jezt uͤber ſeine Verſoͤhnung aͤrgerte, wurd' in ſeinem eiferſuͤchtigen Verdacht noch dadurch befeſtigt, daß Guſtav in der pragmatiſchen Relation, die er ihm von der Mauſſenbacher Avantuͤre gemacht, Beaten voͤllig ausgelaſſen; allein dieſe Eliſion hatte Guſtav angebracht, weil ihn beim ganzen Vorfall gerade Beatens Gegenwart am meiſten ſchmerzte und weil

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/369>, abgerufen am 24.11.2024.