und gesteht er nicht, "hätt' ich auch in der rech¬ ten das was ich liebe: so wären meine Hände, mein Herz, und mein Himmel wohl und ich wol¬ te sterben?" und da man nur in der grösten Lie¬ be gegen einen Zweiten von der gegen einen Drit¬ ten sprechen kann: können wir unserem Amandus mehr ansinnen, der hier auf dem Berge seine Ver¬ liebung in Beaten bekennt? -- --
Das Unglück war, das sie jezt selber herauf¬ stieg, um am Sterbebette der Sonne zu stehen -- unendlich schöner als die, die ihre Augenlust war -- schwärmerisch, unregelmäßig gehend -- mit einem Auge, das erst sah nachdem sie es einigemal schnell auf- und zugezuckt -- kein lebender europäischer Autor könnte Amandi Entzückung vormahlen, wenn es dabei geblieben wäre' -- aber ihr Erstaunen über die zwei Gäste des Berges floß plötzlich in das über den dritten auf dem Grase über: eine konvulsivische Bewegung gab ihr das brüderliche Bild und sie sagte, mechanisch zu Amandus gekehrt, "meines Bruders Portrait! endlich find' ichs!" -- sie konn¬ te nicht vorbeigehen ohne aus jenem weiblichen fei¬ nen Gefühl, das in solchen Manual-Akten zehn Bogen durch hat eh' unsers das erste Blatt gelesen
und geſteht er nicht, „haͤtt' ich auch in der rech¬ ten das was ich liebe: ſo waͤren meine Haͤnde, mein Herz, und mein Himmel wohl und ich wol¬ te ſterben?“ und da man nur in der groͤſten Lie¬ be gegen einen Zweiten von der gegen einen Drit¬ ten ſprechen kann: koͤnnen wir unſerem Amandus mehr anſinnen, der hier auf dem Berge ſeine Ver¬ liebung in Beaten bekennt? — —
Das Ungluͤck war, das ſie jezt ſelber herauf¬ ſtieg, um am Sterbebette der Sonne zu ſtehen — unendlich ſchoͤner als die, die ihre Augenluſt war — ſchwaͤrmeriſch, unregelmaͤßig gehend — mit einem Auge, das erſt ſah nachdem ſie es einigemal ſchnell auf- und zugezuckt — kein lebender europaͤiſcher Autor koͤnnte Amandi Entzuͤckung vormahlen, wenn es dabei geblieben waͤre' — aber ihr Erſtaunen uͤber die zwei Gaͤſte des Berges floß ploͤtzlich in das uͤber den dritten auf dem Graſe uͤber: eine konvulſiviſche Bewegung gab ihr das bruͤderliche Bild und ſie ſagte, mechaniſch zu Amandus gekehrt, „meines Bruders Portrait! endlich find' ichs!“ — ſie konn¬ te nicht vorbeigehen ohne aus jenem weiblichen fei¬ nen Gefuͤhl, das in ſolchen Manual-Akten zehn Bogen durch hat eh' unſers das erſte Blatt geleſen
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und geſteht er nicht, „haͤtt' ich auch in der rech¬
ten das was ich liebe: ſo waͤren meine Haͤnde,
mein Herz, und mein Himmel wohl und ich wol¬
te ſterben?“ und da man nur in der groͤſten Lie¬
be gegen einen Zweiten von der gegen einen Drit¬
ten ſprechen kann: koͤnnen wir unſerem Amandus
mehr anſinnen, der hier auf dem Berge ſeine Ver¬
liebung in Beaten bekennt? — —
Das Ungluͤck war, das ſie jezt ſelber herauf¬
ſtieg, um am Sterbebette der Sonne zu ſtehen —
unendlich ſchoͤner als die, die ihre Augenluſt war —
ſchwaͤrmeriſch, unregelmaͤßig gehend — mit einem
Auge, das erſt ſah nachdem ſie es einigemal ſchnell
auf- und zugezuckt — kein lebender europaͤiſcher
Autor koͤnnte Amandi Entzuͤckung vormahlen, wenn
es dabei geblieben waͤre' — aber ihr Erſtaunen uͤber
die zwei Gaͤſte des Berges floß ploͤtzlich in das uͤber
den dritten auf dem Graſe uͤber: eine konvulſiviſche
Bewegung gab ihr das bruͤderliche Bild und ſie
ſagte, mechaniſch zu Amandus gekehrt, „meines
Bruders Portrait! endlich find' ichs!“ — ſie konn¬
te nicht vorbeigehen ohne aus jenem weiblichen fei¬
nen Gefuͤhl, das in ſolchen Manual-Akten zehn
Bogen durch hat eh' unſers das erſte Blatt geleſen
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/368>, abgerufen am 24.11.2024.
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