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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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unsers Lebens (wie heute die draußen) die Stra¬
len, die sie vom irdischen Boden weghebt an
hohe goldne Wolken und (als wegweisende Ar¬
me) an höhere Sonnen; nach dem müden Ta¬
ge des Lebens sei unsre Nacht gestirnt, die
heißen Dünste desselben schlagen sich nieder, am
erkalteten hellen Horizont ziehe sich die Abend¬
röthe langsam um Norden herum und bei
Nord-Osten lodere für unser Herz die neue
Morgenröthe auf. . . . . .

. . . . Nun tritt auch die Erdensonne auf
die Erdengebirge und von diesen Felsenstufen in
ihr heiliges Grab: die unendliche Erde rückt ih¬
re großen Glieder zum Schlafe zurecht und schlies¬
set ein tausend ihrer Augen ums andre zu. Ach
welche Lichter und Schatten, Höhen und Tie¬
fen, Farben und Wolken werden draußen käm¬
pfen und spielen und den Himmel mit der Er¬
de verknüpfen -- so bald ich hinaustrete (noch
Ein Augenblick steht zwischen mir und dem Ely¬
sium,) so stehen alle Berge von der zerschmol¬
zenen Goldstufe, der Sonne überflossen da --

unſers Lebens (wie heute die draußen) die Stra¬
len, die ſie vom irdiſchen Boden weghebt an
hohe goldne Wolken und (als wegweiſende Ar¬
me) an hoͤhere Sonnen; nach dem muͤden Ta¬
ge des Lebens ſei unſre Nacht geſtirnt, die
heißen Duͤnſte deſſelben ſchlagen ſich nieder, am
erkalteten hellen Horizont ziehe ſich die Abend¬
roͤthe langſam um Norden herum und bei
Nord-Oſten lodere fuͤr unſer Herz die neue
Morgenroͤthe auf. . . . . .

. . . . Nun tritt auch die Erdenſonne auf
die Erdengebirge und von dieſen Felſenſtufen in
ihr heiliges Grab: die unendliche Erde ruͤckt ih¬
re großen Glieder zum Schlafe zurecht und ſchlieſ¬
ſet ein tauſend ihrer Augen ums andre zu. Ach
welche Lichter und Schatten, Hoͤhen und Tie¬
fen, Farben und Wolken werden draußen kaͤm¬
pfen und ſpielen und den Himmel mit der Er¬
de verknuͤpfen — ſo bald ich hinaustrete (noch
Ein Augenblick ſteht zwiſchen mir und dem Ely¬
ſium,) ſo ſtehen alle Berge von der zerſchmol¬
zenen Goldſtufe, der Sonne uͤberfloſſen da —

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[XXIII/0035] unſers Lebens (wie heute die draußen) die Stra¬ len, die ſie vom irdiſchen Boden weghebt an hohe goldne Wolken und (als wegweiſende Ar¬ me) an hoͤhere Sonnen; nach dem muͤden Ta¬ ge des Lebens ſei unſre Nacht geſtirnt, die heißen Duͤnſte deſſelben ſchlagen ſich nieder, am erkalteten hellen Horizont ziehe ſich die Abend¬ roͤthe langſam um Norden herum und bei Nord-Oſten lodere fuͤr unſer Herz die neue Morgenroͤthe auf. . . . . . . . . . Nun tritt auch die Erdenſonne auf die Erdengebirge und von dieſen Felſenſtufen in ihr heiliges Grab: die unendliche Erde ruͤckt ih¬ re großen Glieder zum Schlafe zurecht und ſchlieſ¬ ſet ein tauſend ihrer Augen ums andre zu. Ach welche Lichter und Schatten, Hoͤhen und Tie¬ fen, Farben und Wolken werden draußen kaͤm¬ pfen und ſpielen und den Himmel mit der Er¬ de verknuͤpfen — ſo bald ich hinaustrete (noch Ein Augenblick ſteht zwiſchen mir und dem Ely¬ ſium,) ſo ſtehen alle Berge von der zerſchmol¬ zenen Goldſtufe, der Sonne uͤberfloſſen da —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/35>, abgerufen am 18.12.2024.