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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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von Mandeln aufgesäet zu lesen und zu essen war
-- da ferner der Inhaber des Namens zwar sagte:
"solche dumme Streiche machst du nun", aber so¬
gleich das Auge voll bekam und beifügte: "schneid'
unsern Leuten draussen auch einen Bissen" -- ich
gestehe sagt' ich, ich wünschte alsdann manche Sa¬
ge von ihm aus meinem Gedächtniß, die sich mit
dem lapidarischen Mandelstyl nicht wohl vertrug
und ich hätte besonders etwas darum gegeben, die
Krebse am allerliebsten, wenn er, weniger um
das Steingut derselben besorgt, seine Louise nicht
angebrummt hätte, die in der Freude einige Bei¬
träge zu seiner Krebs-Daktyliothek verschüttet hat¬
te. -- Ich will nur aufrichtig seyn: der Henker
hätte mich holen müssen, wenn ich hart wie ein
Krebsauge hätte bleiben wollen, da du, meine
Musik-Elevin, geliebte Beata! die du aus der
Hofluft *) wie andre Blumen aus der mephitischen
nichts einzogest als zärtere Reize und höhern Schmelz,
da du, holde Schülerin, mit dem weiblichen Ge¬
fühl des väterlichen Ansehens hingiengest und dem
Vater, mit dem Munde auf seiner Hand die auf¬

*) Der Leser muß sich erinnern, daß sie von der Residen¬
tinn
von Bouse blos zur Feyer des väterlichen Geburts¬
tags hergereiset war.

von Mandeln aufgeſaͤet zu leſen und zu eſſen war
— da ferner der Inhaber des Namens zwar ſagte:
„ſolche dumme Streiche machſt du nun“, aber ſo¬
gleich das Auge voll bekam und beifuͤgte: „ſchneid'
unſern Leuten drauſſen auch einen Biſſen“ — ich
geſtehe ſagt' ich, ich wuͤnſchte alsdann manche Sa¬
ge von ihm aus meinem Gedaͤchtniß, die ſich mit
dem lapidariſchen Mandelſtyl nicht wohl vertrug
und ich haͤtte beſonders etwas darum gegeben, die
Krebſe am allerliebſten, wenn er, weniger um
das Steingut derſelben beſorgt, ſeine Louiſe nicht
angebrummt haͤtte, die in der Freude einige Bei¬
traͤge zu ſeiner Krebs-Daktyliothek verſchuͤttet hat¬
te. — Ich will nur aufrichtig ſeyn: der Henker
haͤtte mich holen muͤſſen, wenn ich hart wie ein
Krebsauge haͤtte bleiben wollen, da du, meine
Muſik-Elevin, geliebte Beata! die du aus der
Hofluft *) wie andre Blumen aus der mephitiſchen
nichts einzogeſt als zaͤrtere Reize und hoͤhern Schmelz,
da du, holde Schuͤlerin, mit dem weiblichen Ge¬
fuͤhl des vaͤterlichen Anſehens hingiengeſt und dem
Vater, mit dem Munde auf ſeiner Hand die auf¬

*) Der Leſer muß ſich erinnern, daß ſie von der Reſiden¬
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[310/0346] von Mandeln aufgeſaͤet zu leſen und zu eſſen war — da ferner der Inhaber des Namens zwar ſagte: „ſolche dumme Streiche machſt du nun“, aber ſo¬ gleich das Auge voll bekam und beifuͤgte: „ſchneid' unſern Leuten drauſſen auch einen Biſſen“ — ich geſtehe ſagt' ich, ich wuͤnſchte alsdann manche Sa¬ ge von ihm aus meinem Gedaͤchtniß, die ſich mit dem lapidariſchen Mandelſtyl nicht wohl vertrug und ich haͤtte beſonders etwas darum gegeben, die Krebſe am allerliebſten, wenn er, weniger um das Steingut derſelben beſorgt, ſeine Louiſe nicht angebrummt haͤtte, die in der Freude einige Bei¬ traͤge zu ſeiner Krebs-Daktyliothek verſchuͤttet hat¬ te. — Ich will nur aufrichtig ſeyn: der Henker haͤtte mich holen muͤſſen, wenn ich hart wie ein Krebsauge haͤtte bleiben wollen, da du, meine Muſik-Elevin, geliebte Beata! die du aus der Hofluft *) wie andre Blumen aus der mephitiſchen nichts einzogeſt als zaͤrtere Reize und hoͤhern Schmelz, da du, holde Schuͤlerin, mit dem weiblichen Ge¬ fuͤhl des vaͤterlichen Anſehens hingiengeſt und dem Vater, mit dem Munde auf ſeiner Hand die auf¬ *) Der Leſer muß ſich erinnern, daß ſie von der Reſiden¬ tinn von Bouſe blos zur Feyer des väterlichen Geburts¬ tags hergereiſet war.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/346>, abgerufen am 22.11.2024.