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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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unser Briefsteller dabei allemal so kalt wie beim
Empfang zu seyn pflegte.


"-- -- -- Das Exerziren und Studiren ma¬
chen mich zu einem ganz andern Menschen,
aber zu keinem glücklichern. Ich ärgere mich oft
selbst über meine Weichheit, über meine Augen,
aus denen ich die Spuren in Geheim wegzuwaschen
suche, und über mein Herz, das bei Beleidigun¬
gen, die ich jetzt sehr häufig habe, nicht auf¬
schwillt sondern sich zusammenpreßt und in das Au¬
ge ergießet. Meine Stubenkameraden, unter de¬
nen ich nichts höre als Rappiere und Flüche, la¬
chen mich über alles aus. Sogar dieses Blatt
schreib' ich nicht unter ihnen, sondern unter freiem
Himmel im stillen Lande *) zu den Füßen und
auf dem Postement einer Blumengöttin, von der

*) So hieß der englische Garten um Marienhof, den die Ge¬
mahlin des verstorbnen Fürsten mit einem romantischen,
gefühlvollen, über Kunstregeln hinausreichenden Geiste
angelegt. Der Kummer gab ihr den Namen und die An¬
lage des stillen Landes ein. Jetzt ist ihrer sterbenden Seele
selbst dieses Land zu laut und sie lebt verschlossen. Diejeni¬
gen Leser, die nicht da waren, will ich mir durch eine
Beschreibung des Gartens verbinden.

unſer Briefſteller dabei allemal ſo kalt wie beim
Empfang zu ſeyn pflegte.


„— — — Das Exerziren und Studiren ma¬
chen mich zu einem ganz andern Menſchen,
aber zu keinem gluͤcklichern. Ich aͤrgere mich oft
ſelbſt uͤber meine Weichheit, uͤber meine Augen,
aus denen ich die Spuren in Geheim wegzuwaſchen
ſuche, und uͤber mein Herz, das bei Beleidigun¬
gen, die ich jetzt ſehr haͤufig habe, nicht auf¬
ſchwillt ſondern ſich zuſammenpreßt und in das Au¬
ge ergießet. Meine Stubenkameraden, unter de¬
nen ich nichts hoͤre als Rappiere und Fluͤche, la¬
chen mich uͤber alles aus. Sogar dieſes Blatt
ſchreib' ich nicht unter ihnen, ſondern unter freiem
Himmel im ſtillen Lande *) zu den Fuͤßen und
auf dem Poſtement einer Blumengoͤttin, von der

*) So hieß der engliſche Garten um Marienhof, den die Ge¬
mahlin des verſtorbnen Fürſten mit einem romantiſchen,
gefühlvollen, uͤber Kunſtregeln hinausreichenden Geiſte
angelegt. Der Kummer gab ihr den Namen und die An¬
lage des ſtillen Landes ein. Jetzt iſt ihrer ſterbenden Seele
ſelbſt dieſes Land zu laut und ſie lebt verſchloſſen. Diejeni¬
gen Leſer, die nicht da waren, will ich mir durch eine
Beſchreibung des Gartens verbinden.
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[298/0334] unſer Briefſteller dabei allemal ſo kalt wie beim Empfang zu ſeyn pflegte. „— — — Das Exerziren und Studiren ma¬ chen mich zu einem ganz andern Menſchen, aber zu keinem gluͤcklichern. Ich aͤrgere mich oft ſelbſt uͤber meine Weichheit, uͤber meine Augen, aus denen ich die Spuren in Geheim wegzuwaſchen ſuche, und uͤber mein Herz, das bei Beleidigun¬ gen, die ich jetzt ſehr haͤufig habe, nicht auf¬ ſchwillt ſondern ſich zuſammenpreßt und in das Au¬ ge ergießet. Meine Stubenkameraden, unter de¬ nen ich nichts hoͤre als Rappiere und Fluͤche, la¬ chen mich uͤber alles aus. Sogar dieſes Blatt ſchreib' ich nicht unter ihnen, ſondern unter freiem Himmel im ſtillen Lande *) zu den Fuͤßen und auf dem Poſtement einer Blumengoͤttin, von der *) So hieß der engliſche Garten um Marienhof, den die Ge¬ mahlin des verſtorbnen Fürſten mit einem romantiſchen, gefühlvollen, uͤber Kunſtregeln hinausreichenden Geiſte angelegt. Der Kummer gab ihr den Namen und die An¬ lage des ſtillen Landes ein. Jetzt iſt ihrer ſterbenden Seele ſelbſt dieſes Land zu laut und ſie lebt verſchloſſen. Diejeni¬ gen Leſer, die nicht da waren, will ich mir durch eine Beſchreibung des Gartens verbinden.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/334>, abgerufen am 22.11.2024.