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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Ich gieng und umarmte ihn nicht: die besten
Gefühle haften stärker, wenn man ihnen nicht er¬
laubt, sich auszudrücken. Er blieb und seine Ge¬
fühle wendeten sich an Guido's Bild; aber das
konnte ihn nicht an seine eigne Gestalt erinnern
-- denn eine Mannsperson kann 20 Jahre alt wer¬
den, ohne ihre Zähne, und 25 Jahre, ohne ih¬
re Augen-Wimpern zu kennen, indeß ein Mäd¬
chen dahinter kömmt vor der Firmelung -- Son¬
dern das Bild regte alles was in ihm vom Anden¬
ken und von der Liebe gegen seinen Genius schlum¬
merte, wieder auf; ja er fand am Portrait lau¬
ter Aehnlichkeiten mit seinem weggeflohenen Freun¬
de aus und sah dessen Gestallt im gemalten Nichts
wie in einem Holspiegel.

Sein Gehirn brannte wie eine glimmende
Steinkohlenmine im Traume auf dem Kopfkissen
fort. Ihm kams darin vor als zerlief' er in einen
reinen Thautropfen und ein blauer Blumenkelch
sög' ihn ein -- dann streckte sich die schwankende
Blume mit ihm hoch empor und höb' ihn in ein
hohes hohes Zimmer, wo sein Freund der Genius
oder Guido mit dessen Schwester spielte, dem der
Arm, so oft er ihn nach Gustav herausstreckte,

Ich gieng und umarmte ihn nicht: die beſten
Gefuͤhle haften ſtaͤrker, wenn man ihnen nicht er¬
laubt, ſich auszudruͤcken. Er blieb und ſeine Ge¬
fuͤhle wendeten ſich an Guido's Bild; aber das
konnte ihn nicht an ſeine eigne Geſtalt erinnern
— denn eine Mannsperſon kann 20 Jahre alt wer¬
den, ohne ihre Zaͤhne, und 25 Jahre, ohne ih¬
re Augen-Wimpern zu kennen, indeß ein Maͤd¬
chen dahinter koͤmmt vor der Firmelung — Son¬
dern das Bild regte alles was in ihm vom Anden¬
ken und von der Liebe gegen ſeinen Genius ſchlum¬
merte, wieder auf; ja er fand am Portrait lau¬
ter Aehnlichkeiten mit ſeinem weggeflohenen Freun¬
de aus und ſah deſſen Geſtallt im gemalten Nichts
wie in einem Holſpiegel.

Sein Gehirn brannte wie eine glimmende
Steinkohlenmine im Traume auf dem Kopfkiſſen
fort. Ihm kams darin vor als zerlief' er in einen
reinen Thautropfen und ein blauer Blumenkelch
ſoͤg' ihn ein — dann ſtreckte ſich die ſchwankende
Blume mit ihm hoch empor und hoͤb' ihn in ein
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[281/0317] Ich gieng und umarmte ihn nicht: die beſten Gefuͤhle haften ſtaͤrker, wenn man ihnen nicht er¬ laubt, ſich auszudruͤcken. Er blieb und ſeine Ge¬ fuͤhle wendeten ſich an Guido's Bild; aber das konnte ihn nicht an ſeine eigne Geſtalt erinnern — denn eine Mannsperſon kann 20 Jahre alt wer¬ den, ohne ihre Zaͤhne, und 25 Jahre, ohne ih¬ re Augen-Wimpern zu kennen, indeß ein Maͤd¬ chen dahinter koͤmmt vor der Firmelung — Son¬ dern das Bild regte alles was in ihm vom Anden¬ ken und von der Liebe gegen ſeinen Genius ſchlum¬ merte, wieder auf; ja er fand am Portrait lau¬ ter Aehnlichkeiten mit ſeinem weggeflohenen Freun¬ de aus und ſah deſſen Geſtallt im gemalten Nichts wie in einem Holſpiegel. Sein Gehirn brannte wie eine glimmende Steinkohlenmine im Traume auf dem Kopfkiſſen fort. Ihm kams darin vor als zerlief' er in einen reinen Thautropfen und ein blauer Blumenkelch ſoͤg' ihn ein — dann ſtreckte ſich die ſchwankende Blume mit ihm hoch empor und hoͤb' ihn in ein hohes hohes Zimmer, wo ſein Freund der Genius oder Guido mit deſſen Schweſter ſpielte, dem der Arm, ſo oft er ihn nach Guſtav herausſtreckte,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/317>, abgerufen am 25.11.2024.