Mannspersonen wie Oefel haben einen solchen Ue¬ berfluß von Treue, daß sie ihn nicht Einer, son¬ dern unter tausend Weibern vertheilen müssen; Oefel will ein ganzes weibliches Sklavenschif kom¬ mandieren: er f[ra]gt dabei nach Dir so wenig wie nach der Ministerin, die ihn liebt weil es ihr letz¬ ter Liebhaber ist, und die er erstlich liebt weil er an ihrem Triumphwagen, vor den sonst mehrere Tropfen eingespannt waren, gern als Gabelpferd allein ziehen will, zweitens weil sie mehr List und weniger Empfindung als er besitzt und ihn beredet, es sei gerade umgekehrt.
Damit ich nun die Beata, die Du gern in Dein Leben und in Dein Buch hinein haben möch¬ test, in das Leben und das Buch des Oefels (er ist auch über einem) verflechte, so hab' ich, trau¬ ter Paul, dem alten Röper so viele Kabinets-Pre¬ digten darüber gehalten, daß die Kränklichkeit sei¬ ner Tochter nicht durch Einen, sondern durch ein Paar hundert Aerzte zu besiegen sei, d. h. durch Gesellschaft -- daß der Alte ihr eine oder vielmehr sie einer geben will, ohne selber für eine die Ali¬ mentengelder auszugeben. Er will sie auf irgend ein Beet des Hofgartens verpflanzen: "sie soll auch
Mannsperſonen wie Oefel haben einen ſolchen Ue¬ berfluß von Treue, daß ſie ihn nicht Einer, ſon¬ dern unter tauſend Weibern vertheilen muͤſſen; Oefel will ein ganzes weibliches Sklavenſchif kom¬ mandieren: er f[ra]gt dabei nach Dir ſo wenig wie nach der Miniſterin, die ihn liebt weil es ihr letz¬ ter Liebhaber iſt, und die er erſtlich liebt weil er an ihrem Triumphwagen, vor den ſonſt mehrere Tropfen eingeſpannt waren, gern als Gabelpferd allein ziehen will, zweitens weil ſie mehr Liſt und weniger Empfindung als er beſitzt und ihn beredet, es ſei gerade umgekehrt.
Damit ich nun die Beata, die Du gern in Dein Leben und in Dein Buch hinein haben moͤch¬ teſt, in das Leben und das Buch des Oefels (er iſt auch uͤber einem) verflechte, ſo hab' ich, trau¬ ter Paul, dem alten Roͤper ſo viele Kabinets-Pre¬ digten daruͤber gehalten, daß die Kraͤnklichkeit ſei¬ ner Tochter nicht durch Einen, ſondern durch ein Paar hundert Aerzte zu beſiegen ſei, d. h. durch Geſellſchaft — daß der Alte ihr eine oder vielmehr ſie einer geben will, ohne ſelber fuͤr eine die Ali¬ mentengelder auszugeben. Er will ſie auf irgend ein Beet des Hofgartens verpflanzen: „ſie ſoll auch
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Mannsperſonen wie Oefel haben einen ſolchen Ue¬
berfluß von Treue, daß ſie ihn nicht Einer, ſon¬
dern unter tauſend Weibern vertheilen muͤſſen;
Oefel will ein ganzes weibliches Sklavenſchif kom¬
mandieren: er fragt dabei nach Dir ſo wenig wie
nach der Miniſterin, die ihn liebt weil es ihr letz¬
ter Liebhaber iſt, und die er erſtlich liebt weil er
an ihrem Triumphwagen, vor den ſonſt mehrere
Tropfen eingeſpannt waren, gern als Gabelpferd
allein ziehen will, zweitens weil ſie mehr Liſt und
weniger Empfindung als er beſitzt und ihn beredet,
es ſei gerade umgekehrt.
Damit ich nun die Beata, die Du gern in
Dein Leben und in Dein Buch hinein haben moͤch¬
teſt, in das Leben und das Buch des Oefels (er
iſt auch uͤber einem) verflechte, ſo hab' ich, trau¬
ter Paul, dem alten Roͤper ſo viele Kabinets-Pre¬
digten daruͤber gehalten, daß die Kraͤnklichkeit ſei¬
ner Tochter nicht durch Einen, ſondern durch ein
Paar hundert Aerzte zu beſiegen ſei, d. h. durch
Geſellſchaft — daß der Alte ihr eine oder vielmehr
ſie einer geben will, ohne ſelber fuͤr eine die Ali¬
mentengelder auszugeben. Er will ſie auf irgend
ein Beet des Hofgartens verpflanzen: „ſie ſoll auch
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/287>, abgerufen am 27.11.2024.
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