Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

eigne. Ich will Dich mit noch mehr "Zwar's" trö¬
sten, bis ich meine Aber hole. Beata sieht zwar
aus als ob sie sich alle Minuten frage, warum
bewunder' ich ihn nicht; die Ministerin sieht aus
als ob sie jene alle Minuten frage, "warum be¬
neidest Du mich nicht, da mein Lehnmann ein For¬
te Piano mit hundert Zügen und Tritten ist wie
ich selber" -- denn er behält keine Stellung und
kann sich in jede wagen; jede Bewegung scheint
aus der andern herzufließen; seine Seele ändert
eben so spielend wie der Körper die Positionen und
biegt sich wie eine Kaskade in die entlegensten Ma¬
terien herüber; ihn macht nichts irre, er jeden;
er weiß hundert Exordien zu einer Predigt, fängt
an, um anzufangen, bricht ab um abzubrechen
und weiß selber nicht eher als seine Zuhörer was er
will -- -- kurz es ist ein Nebenbuhler, lieber
Paul! -- Ich kann jezt das versprochene Aber nicht
recht hereinbringen.

Aber ob gleich meine schöne Patientin ihn so
kalt überblickt wie einen der uns ein Kleid anpro¬
biert, so setzt er doch das Gegentheil voraus und
wirft Dampfkugeln und Pechkränze in sie und
schlägt in Gedanken schon Eroberungs-Münzen.

eigne. Ich will Dich mit noch mehr „Zwar's“ troͤ¬
ſten, bis ich meine Aber hole. Beata ſieht zwar
aus als ob ſie ſich alle Minuten frage, warum
bewunder' ich ihn nicht; die Miniſterin ſieht aus
als ob ſie jene alle Minuten frage, „warum be¬
neideſt Du mich nicht, da mein Lehnmann ein For¬
te Piano mit hundert Zuͤgen und Tritten iſt wie
ich ſelber“ — denn er behaͤlt keine Stellung und
kann ſich in jede wagen; jede Bewegung ſcheint
aus der andern herzufließen; ſeine Seele aͤndert
eben ſo ſpielend wie der Koͤrper die Poſitionen und
biegt ſich wie eine Kaſkade in die entlegenſten Ma¬
terien heruͤber; ihn macht nichts irre, er jeden;
er weiß hundert Exordien zu einer Predigt, faͤngt
an, um anzufangen, bricht ab um abzubrechen
und weiß ſelber nicht eher als ſeine Zuhoͤrer was er
will — — kurz es iſt ein Nebenbuhler, lieber
Paul! — Ich kann jezt das verſprochene Aber nicht
recht hereinbringen.

Aber ob gleich meine ſchoͤne Patientin ihn ſo
kalt uͤberblickt wie einen der uns ein Kleid anpro¬
biert, ſo ſetzt er doch das Gegentheil voraus und
wirft Dampfkugeln und Pechkraͤnze in ſie und
ſchlaͤgt in Gedanken ſchon Eroberungs-Muͤnzen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0286" n="250"/>
eigne. Ich will Dich mit noch mehr &#x201E;Zwar's&#x201C; tro&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;ten, bis ich meine Aber hole. Beata &#x017F;ieht zwar<lb/>
aus als ob &#x017F;ie &#x017F;ich alle Minuten frage, warum<lb/>
bewunder' ich ihn nicht; die Mini&#x017F;terin &#x017F;ieht aus<lb/>
als ob &#x017F;ie jene alle Minuten frage, &#x201E;warum be¬<lb/>
neide&#x017F;t Du mich nicht, da mein Lehnmann ein For¬<lb/>
te Piano mit hundert Zu&#x0364;gen und Tritten i&#x017F;t wie<lb/>
ich &#x017F;elber&#x201C; &#x2014; denn er beha&#x0364;lt keine Stellung und<lb/>
kann &#x017F;ich in jede wagen; jede Bewegung &#x017F;cheint<lb/>
aus der andern herzufließen; &#x017F;eine Seele a&#x0364;ndert<lb/>
eben &#x017F;o &#x017F;pielend wie der Ko&#x0364;rper die Po&#x017F;itionen und<lb/>
biegt &#x017F;ich wie eine Ka&#x017F;kade in die entlegen&#x017F;ten Ma¬<lb/>
terien heru&#x0364;ber; ihn macht nichts irre, er jeden;<lb/>
er weiß hundert Exordien zu einer Predigt, fa&#x0364;ngt<lb/>
an, um anzufangen, bricht ab um abzubrechen<lb/>
und weiß &#x017F;elber nicht eher als &#x017F;eine Zuho&#x0364;rer was er<lb/>
will &#x2014; &#x2014; kurz es i&#x017F;t ein Nebenbuhler, lieber<lb/>
Paul! &#x2014; Ich kann jezt das ver&#x017F;prochene Aber nicht<lb/>
recht hereinbringen.</p><lb/>
          <p>Aber ob gleich meine &#x017F;cho&#x0364;ne Patientin ihn &#x017F;o<lb/>
kalt u&#x0364;berblickt wie einen der uns ein Kleid anpro¬<lb/>
biert, &#x017F;o &#x017F;etzt er doch das Gegentheil voraus und<lb/>
wirft Dampfkugeln und Pechkra&#x0364;nze in &#x017F;ie und<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gt in Gedanken &#x017F;chon Eroberungs-Mu&#x0364;nzen.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0286] eigne. Ich will Dich mit noch mehr „Zwar's“ troͤ¬ ſten, bis ich meine Aber hole. Beata ſieht zwar aus als ob ſie ſich alle Minuten frage, warum bewunder' ich ihn nicht; die Miniſterin ſieht aus als ob ſie jene alle Minuten frage, „warum be¬ neideſt Du mich nicht, da mein Lehnmann ein For¬ te Piano mit hundert Zuͤgen und Tritten iſt wie ich ſelber“ — denn er behaͤlt keine Stellung und kann ſich in jede wagen; jede Bewegung ſcheint aus der andern herzufließen; ſeine Seele aͤndert eben ſo ſpielend wie der Koͤrper die Poſitionen und biegt ſich wie eine Kaſkade in die entlegenſten Ma¬ terien heruͤber; ihn macht nichts irre, er jeden; er weiß hundert Exordien zu einer Predigt, faͤngt an, um anzufangen, bricht ab um abzubrechen und weiß ſelber nicht eher als ſeine Zuhoͤrer was er will — — kurz es iſt ein Nebenbuhler, lieber Paul! — Ich kann jezt das verſprochene Aber nicht recht hereinbringen. Aber ob gleich meine ſchoͤne Patientin ihn ſo kalt uͤberblickt wie einen der uns ein Kleid anpro¬ biert, ſo ſetzt er doch das Gegentheil voraus und wirft Dampfkugeln und Pechkraͤnze in ſie und ſchlaͤgt in Gedanken ſchon Eroberungs-Muͤnzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/286
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/286>, abgerufen am 27.07.2024.