sten. Wenn ich ein Fürst wäre: ich resolvirte fürst¬ lich und setzte in einem allerhöchsten Reskript Haus¬ arrest darauf, wenn eine Frau einen Löffel voll einnähme. Ihr armen gequälten Geschöpfe, war¬ um habt ihr so viel Zutrauen zu den Männern, warum leidet ihr's, daß man den ganzen thera¬ pevtischen Cursus an euch repetirt und für euch ein Arzneiglas ums andre, als hätten die Gläser eine Reiheschank, verzapft?
Die einzigen Arzneien, die ihnen mehr nützen als schaden, sind Kleider. Nach vielen Naturfor¬ schern verlängert das Mausern das Leben der Vö¬ gel; aber auch der Weiber glaub' ich, die alle¬ mal so lange siechen bis sie wieder ein neues Gefie¬ der anhaben. Aus der Therapevtik lässet sichs schlecht erklären; aber wahr ists; und je vornehmer eine ist, mithin je kränklicher, desto öfter muß sie sich mausern, wie auch der Sumpfsalamander sich alle fünf Tage häutet. Ein weiblicher Krebs, der auf eine neue Schale wartet, hockt erbärmlich in sei¬ nem Loche. Jeder Gift kann ein Gegengift werden; und da gewiß ist, daß Kleider Krankheiten geben können, z. B. Hektik, Pest etc.; so müssen sie un¬ ter Anleitung eines vernünftigen Arztes auch wel¬
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ſten. Wenn ich ein Fuͤrſt waͤre: ich reſolvirte fuͤrſt¬ lich und ſetzte in einem allerhoͤchſten Reſkript Haus¬ arreſt darauf, wenn eine Frau einen Loͤffel voll einnaͤhme. Ihr armen gequaͤlten Geſchoͤpfe, war¬ um habt ihr ſo viel Zutrauen zu den Maͤnnern, warum leidet ihr's, daß man den ganzen thera¬ pevtiſchen Curſus an euch repetirt und fuͤr euch ein Arzneiglas ums andre, als haͤtten die Glaͤſer eine Reiheſchank, verzapft?
Die einzigen Arzneien, die ihnen mehr nuͤtzen als ſchaden, ſind Kleider. Nach vielen Naturfor¬ ſchern verlaͤngert das Mauſern das Leben der Voͤ¬ gel; aber auch der Weiber glaub' ich, die alle¬ mal ſo lange ſiechen bis ſie wieder ein neues Gefie¬ der anhaben. Aus der Therapevtik laͤſſet ſichs ſchlecht erklaͤren; aber wahr iſts; und je vornehmer eine iſt, mithin je kraͤnklicher, deſto oͤfter muß ſie ſich mauſern, wie auch der Sumpfſalamander ſich alle fuͤnf Tage haͤutet. Ein weiblicher Krebs, der auf eine neue Schale wartet, hockt erbaͤrmlich in ſei¬ nem Loche. Jeder Gift kann ein Gegengift werden; und da gewiß iſt, daß Kleider Krankheiten geben koͤnnen, z. B. Hektik, Peſt ꝛc.; ſo muͤſſen ſie un¬ ter Anleitung eines vernuͤnftigen Arztes auch wel¬
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ſten. Wenn ich ein Fuͤrſt waͤre: ich reſolvirte fuͤrſt¬
lich und ſetzte in einem allerhoͤchſten Reſkript Haus¬
arreſt darauf, wenn eine Frau einen Loͤffel voll
einnaͤhme. Ihr armen gequaͤlten Geſchoͤpfe, war¬
um habt ihr ſo viel Zutrauen zu den Maͤnnern,
warum leidet ihr's, daß man den ganzen thera¬
pevtiſchen Curſus an euch repetirt und fuͤr euch
ein Arzneiglas ums andre, als haͤtten die Glaͤſer
eine Reiheſchank, verzapft?
Die einzigen Arzneien, die ihnen mehr nuͤtzen
als ſchaden, ſind Kleider. Nach vielen Naturfor¬
ſchern verlaͤngert das Mauſern das Leben der Voͤ¬
gel; aber auch der Weiber glaub' ich, die alle¬
mal ſo lange ſiechen bis ſie wieder ein neues Gefie¬
der anhaben. Aus der Therapevtik laͤſſet ſichs ſchlecht
erklaͤren; aber wahr iſts; und je vornehmer eine
iſt, mithin je kraͤnklicher, deſto oͤfter muß ſie ſich
mauſern, wie auch der Sumpfſalamander ſich alle
fuͤnf Tage haͤutet. Ein weiblicher Krebs, der auf
eine neue Schale wartet, hockt erbaͤrmlich in ſei¬
nem Loche. Jeder Gift kann ein Gegengift werden;
und da gewiß iſt, daß Kleider Krankheiten geben
koͤnnen, z. B. Hektik, Peſt ꝛc.; ſo muͤſſen ſie un¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/279>, abgerufen am 28.11.2024.
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