Diese Sparsamkeit legierte der unvollkommne Karakter noch mit einigem Betrug. Er interpo¬ lierte die Güter, die er gut bekam und schrieb zu¬ rück, er hätte sie schlecht bekommen, sie wären so und so und könnte sie nur um den halben Preiß brauchen. Ein Drittel des Preises spielt' er dann meistens dem Kaufmann aus der entfernten Ta¬ sche. Waaren, Fässer, Säcke, die in seinem Hause nur ein Absteig-Quartier hatten und weiter musten, gaben ihm den Transito, und Rheinzoll durch ein kleines Loch heraus, das er in sie hin¬ einmachte, um das Wenige daraus sich zu entrich¬ ten, was dem Fuhrmann aufgebürdet werden konnte wenns fehlte. -- Er legte ein Münzkabi¬ net oder Hospital für arme invalide amputierte Goldstücke an; diesen gab er den ehrlichen Namen, den sie verloren, wieder, und zwang seine Spinner und Faktore, sie als legitimiert anzunehmen: ein
Phantasie oder gewisse Züge, die gewisse seltnere Men¬ schen heben: der versäumt noch etwas größeres zu be¬ wundern -- die Kälte, womit das deutsche Publikum al¬ le Werke schätzt, die man mehr als einmal lesen muß. Armer Hamann in Königsberg; deine Mardochais ha¬ ben dich nicht gehenkt, sondern (was noch schlimmer in den deutschen Kreisen ist) gelesen.
Dieſe Sparſamkeit legierte der unvollkommne Karakter noch mit einigem Betrug. Er interpo¬ lierte die Guͤter, die er gut bekam und ſchrieb zu¬ ruͤck, er haͤtte ſie ſchlecht bekommen, ſie waͤren ſo und ſo und koͤnnte ſie nur um den halben Preiß brauchen. Ein Drittel des Preiſes ſpielt' er dann meiſtens dem Kaufmann aus der entfernten Ta¬ ſche. Waaren, Faͤſſer, Saͤcke, die in ſeinem Hauſe nur ein Abſteig-Quartier hatten und weiter muſten, gaben ihm den Tranſito, und Rheinzoll durch ein kleines Loch heraus, das er in ſie hin¬ einmachte, um das Wenige daraus ſich zu entrich¬ ten, was dem Fuhrmann aufgebuͤrdet werden konnte wenns fehlte. — Er legte ein Muͤnzkabi¬ net oder Hoſpital fuͤr arme invalide amputierte Goldſtuͤcke an; dieſen gab er den ehrlichen Namen, den ſie verloren, wieder, und zwang ſeine Spinner und Faktore, ſie als legitimiert anzunehmen: ein
Phantaſie oder gewiſſe Züge, die gewiſſe ſeltnere Men¬ ſchen heben: der verſäumt noch etwas größeres zu be¬ wundern — die Kälte, womit das deutſche Publikum al¬ le Werke ſchätzt, die man mehr als einmal leſen muß. Armer Hamann in Königsberg; deine Mardochais ha¬ ben dich nicht gehenkt, ſondern (was noch ſchlimmer in den deutſchen Kreiſen iſt) geleſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0271"n="235"/><p>Dieſe Sparſamkeit legierte der unvollkommne<lb/>
Karakter noch mit einigem Betrug. Er interpo¬<lb/>
lierte die Guͤter, die er gut bekam und ſchrieb zu¬<lb/>
ruͤck, er haͤtte ſie ſchlecht bekommen, ſie waͤren<lb/>ſo und ſo und koͤnnte ſie nur um den halben Preiß<lb/>
brauchen. Ein Drittel des Preiſes ſpielt' er dann<lb/>
meiſtens dem Kaufmann aus der entfernten Ta¬<lb/>ſche. Waaren, Faͤſſer, Saͤcke, die in ſeinem<lb/>
Hauſe nur ein Abſteig-Quartier hatten und weiter<lb/>
muſten, gaben ihm den Tranſito, und Rheinzoll<lb/>
durch ein kleines Loch heraus, das er in ſie hin¬<lb/>
einmachte, um das Wenige daraus ſich zu entrich¬<lb/>
ten, was dem Fuhrmann aufgebuͤrdet werden<lb/>
konnte wenns fehlte. — Er legte ein Muͤnzkabi¬<lb/>
net oder Hoſpital fuͤr arme invalide amputierte<lb/>
Goldſtuͤcke an; dieſen gab er den ehrlichen Namen,<lb/>
den ſie verloren, wieder, und zwang ſeine Spinner<lb/>
und Faktore, ſie als legitimiert anzunehmen: ein<lb/><notexml:id="note-0271"prev="#note-0270"place="foot"n="*)">Phantaſie oder gewiſſe Züge, die gewiſſe <hirendition="#g">ſeltnere</hi> Men¬<lb/>ſchen heben: der verſäumt noch etwas größeres zu be¬<lb/>
wundern — die Kälte, womit das deutſche Publikum <hirendition="#g">al¬<lb/>
le</hi> Werke ſchätzt, die man mehr als einmal leſen muß.<lb/>
Armer <hirendition="#g">Hamann</hi> in Königsberg; deine Mardochais ha¬<lb/>
ben dich nicht gehenkt, ſondern (was noch ſchlimmer in<lb/>
den deutſchen Kreiſen iſt) geleſen.<lb/></note></p></div></div></body></text></TEI>
[235/0271]
Dieſe Sparſamkeit legierte der unvollkommne
Karakter noch mit einigem Betrug. Er interpo¬
lierte die Guͤter, die er gut bekam und ſchrieb zu¬
ruͤck, er haͤtte ſie ſchlecht bekommen, ſie waͤren
ſo und ſo und koͤnnte ſie nur um den halben Preiß
brauchen. Ein Drittel des Preiſes ſpielt' er dann
meiſtens dem Kaufmann aus der entfernten Ta¬
ſche. Waaren, Faͤſſer, Saͤcke, die in ſeinem
Hauſe nur ein Abſteig-Quartier hatten und weiter
muſten, gaben ihm den Tranſito, und Rheinzoll
durch ein kleines Loch heraus, das er in ſie hin¬
einmachte, um das Wenige daraus ſich zu entrich¬
ten, was dem Fuhrmann aufgebuͤrdet werden
konnte wenns fehlte. — Er legte ein Muͤnzkabi¬
net oder Hoſpital fuͤr arme invalide amputierte
Goldſtuͤcke an; dieſen gab er den ehrlichen Namen,
den ſie verloren, wieder, und zwang ſeine Spinner
und Faktore, ſie als legitimiert anzunehmen: ein
*)
*) Phantaſie oder gewiſſe Züge, die gewiſſe ſeltnere Men¬
ſchen heben: der verſäumt noch etwas größeres zu be¬
wundern — die Kälte, womit das deutſche Publikum al¬
le Werke ſchätzt, die man mehr als einmal leſen muß.
Armer Hamann in Königsberg; deine Mardochais ha¬
ben dich nicht gehenkt, ſondern (was noch ſchlimmer in
den deutſchen Kreiſen iſt) geleſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/271>, abgerufen am 25.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.