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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Empfindung der passiven Parthei die Hände und
der aktiven die Lippen wegschneiden. . . .

Ich begiesse den vom letzten Kusse erhitzten Le¬
ser mit dieser kalten Brühe wirklich nicht deswe¬
gen
um mit ihm so umzuspringen wie das Schick¬
sal mit mir: dieses hat sichs einmal zum Gesetz
gemacht, jedesmal wenn ich mitten im Freuden¬
öhl solcher Auftritte wie der Gustavische -- oder
auch nur der Beschreibung solcher Auftritte -- ste¬
he, mich sogleich in Bitterwasser und Schweerschen
Essenzen und saure Extrakte unter zu tauchen. Son¬
dern ich wollte gerade umgekehrt die häßliche Em¬
pfindung über den Tausch entgegengesetzter Szenen
dem Leser halbiren, die der arme Gustav ganz hat¬
te, als es unten rief:

"Wollt ihr gleich!" Die Rittmeisterin legte
in den Ton mehr Beleidigendes, als mein unschul¬
diger Eleve noch zu fühlen verstand. Die Liebha¬
berin verliert in solchen Ueberraschungen den Muth,
den der Liebhaber bekömmt. Die ersten Versikel
des abgefluchten Strafpsalms durchlöcherten das
Ohr der schuldlosen Regina, die stumm und wei¬
nend aus dem Garten schlich und den freudigen
Tag trübe beschloß. Die sanftern Verse erfaßten

Empfindung der paſſiven Parthei die Haͤnde und
der aktiven die Lippen wegſchneiden. . . .

Ich begieſſe den vom letzten Kuſſe erhitzten Le¬
ſer mit dieſer kalten Bruͤhe wirklich nicht deswe¬
gen
um mit ihm ſo umzuſpringen wie das Schick¬
ſal mit mir: dieſes hat ſichs einmal zum Geſetz
gemacht, jedesmal wenn ich mitten im Freuden¬
oͤhl ſolcher Auftritte wie der Guſtaviſche — oder
auch nur der Beſchreibung ſolcher Auftritte — ſte¬
he, mich ſogleich in Bitterwaſſer und Schweerſchen
Eſſenzen und ſaure Extrakte unter zu tauchen. Son¬
dern ich wollte gerade umgekehrt die haͤßliche Em¬
pfindung uͤber den Tauſch entgegengeſetzter Szenen
dem Leſer halbiren, die der arme Guſtav ganz hat¬
te, als es unten rief:

„Wollt ihr gleich!“ Die Rittmeiſterin legte
in den Ton mehr Beleidigendes, als mein unſchul¬
diger Eleve noch zu fuͤhlen verſtand. Die Liebha¬
berin verliert in ſolchen Ueberraſchungen den Muth,
den der Liebhaber bekoͤmmt. Die erſten Verſikel
des abgefluchten Strafpſalms durchloͤcherten das
Ohr der ſchuldloſen Regina, die ſtumm und wei¬
nend aus dem Garten ſchlich und den freudigen
Tag truͤbe beſchloß. Die ſanftern Verſe erfaßten

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[218/0254] Empfindung der paſſiven Parthei die Haͤnde und der aktiven die Lippen wegſchneiden. . . . Ich begieſſe den vom letzten Kuſſe erhitzten Le¬ ſer mit dieſer kalten Bruͤhe wirklich nicht deswe¬ gen um mit ihm ſo umzuſpringen wie das Schick¬ ſal mit mir: dieſes hat ſichs einmal zum Geſetz gemacht, jedesmal wenn ich mitten im Freuden¬ oͤhl ſolcher Auftritte wie der Guſtaviſche — oder auch nur der Beſchreibung ſolcher Auftritte — ſte¬ he, mich ſogleich in Bitterwaſſer und Schweerſchen Eſſenzen und ſaure Extrakte unter zu tauchen. Son¬ dern ich wollte gerade umgekehrt die haͤßliche Em¬ pfindung uͤber den Tauſch entgegengeſetzter Szenen dem Leſer halbiren, die der arme Guſtav ganz hat¬ te, als es unten rief: „Wollt ihr gleich!“ Die Rittmeiſterin legte in den Ton mehr Beleidigendes, als mein unſchul¬ diger Eleve noch zu fuͤhlen verſtand. Die Liebha¬ berin verliert in ſolchen Ueberraſchungen den Muth, den der Liebhaber bekoͤmmt. Die erſten Verſikel des abgefluchten Strafpſalms durchloͤcherten das Ohr der ſchuldloſen Regina, die ſtumm und wei¬ nend aus dem Garten ſchlich und den freudigen Tag truͤbe beſchloß. Die ſanftern Verſe erfaßten

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/254>, abgerufen am 22.11.2024.