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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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dergleichen Schürze, welches alles noch dazu so
blütenweiß war wie ich und am schönsten Leibe in
der ganzen Pfarrei saß -- an Reginens ihrem,
die oder der darin sich auf das zweite Kommunizi¬
ren vorbereitete. So etwas, mein Gustav, mach¬
te dich ganz natürlich aufmerksamer als zerstreuet;
und wenn mir das Scholarchat nur eine halbe sol¬
che Muse statt des Bauchküssens meines leken Kon¬
rektors auf den Katheder entgegengestellt hätte:
ich würde gelernt haben, ferner analysirt, for¬
mirt, konstruirt! -- Deswegen wars zweitens kei¬
ne Hexerei, Gustav -- da bloß dein Ohr der Wind¬
seite vom Pastor entgegenlag, das Aug' aber der
Sonnenseite von Reginen -- daß du wenig dir
aus der halben Stunde machtest, die der Senior
drüber gab, um sein Gewissen zum Narren zu haben.
Er hielt, um diesen Frais- und Zentherrn und
Veimer im Herzen, das Gewissen, stille zu machen,
seine Kinderlehren eine halbe und seine Predigten
dreiviertel Stunden länger als die ganze Diözes.
Der Mensch thut lieber mehr wie seine Pflicht als
seine Pflicht.

Da er nicht wußte, daß Mädchen nichts überse¬
hen und alles überhören: so war ihm der ganze Ka¬

techismus

dergleichen Schuͤrze, welches alles noch dazu ſo
bluͤtenweiß war wie ich und am ſchoͤnſten Leibe in
der ganzen Pfarrei ſaß — an Reginens ihrem,
die oder der darin ſich auf das zweite Kommunizi¬
ren vorbereitete. So etwas, mein Guſtav, mach¬
te dich ganz natuͤrlich aufmerkſamer als zerſtreuet;
und wenn mir das Scholarchat nur eine halbe ſol¬
che Muſe ſtatt des Bauchkuͤſſens meines leken Kon¬
rektors auf den Katheder entgegengeſtellt haͤtte:
ich wuͤrde gelernt haben, ferner analyſirt, for¬
mirt, konſtruirt! — Deswegen wars zweitens kei¬
ne Hexerei, Guſtav — da bloß dein Ohr der Wind¬
ſeite vom Paſtor entgegenlag, das Aug' aber der
Sonnenſeite von Reginen — daß du wenig dir
aus der halben Stunde machteſt, die der Senior
druͤber gab, um ſein Gewiſſen zum Narren zu haben.
Er hielt, um dieſen Frais- und Zentherrn und
Veimer im Herzen, das Gewiſſen, ſtille zu machen,
ſeine Kinderlehren eine halbe und ſeine Predigten
dreiviertel Stunden laͤnger als die ganze Dioͤzes.
Der Menſch thut lieber mehr wie ſeine Pflicht als
ſeine Pflicht.

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hen und alles uͤberhoͤren: ſo war ihm der ganze Ka¬

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[208/0244] dergleichen Schuͤrze, welches alles noch dazu ſo bluͤtenweiß war wie ich und am ſchoͤnſten Leibe in der ganzen Pfarrei ſaß — an Reginens ihrem, die oder der darin ſich auf das zweite Kommunizi¬ ren vorbereitete. So etwas, mein Guſtav, mach¬ te dich ganz natuͤrlich aufmerkſamer als zerſtreuet; und wenn mir das Scholarchat nur eine halbe ſol¬ che Muſe ſtatt des Bauchkuͤſſens meines leken Kon¬ rektors auf den Katheder entgegengeſtellt haͤtte: ich wuͤrde gelernt haben, ferner analyſirt, for¬ mirt, konſtruirt! — Deswegen wars zweitens kei¬ ne Hexerei, Guſtav — da bloß dein Ohr der Wind¬ ſeite vom Paſtor entgegenlag, das Aug' aber der Sonnenſeite von Reginen — daß du wenig dir aus der halben Stunde machteſt, die der Senior druͤber gab, um ſein Gewiſſen zum Narren zu haben. Er hielt, um dieſen Frais- und Zentherrn und Veimer im Herzen, das Gewiſſen, ſtille zu machen, ſeine Kinderlehren eine halbe und ſeine Predigten dreiviertel Stunden laͤnger als die ganze Dioͤzes. Der Menſch thut lieber mehr wie ſeine Pflicht als ſeine Pflicht. Da er nicht wußte, daß Maͤdchen nichts uͤberſe¬ hen und alles uͤberhoͤren: ſo war ihm der ganze Ka¬ techiſmus

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/244>, abgerufen am 25.11.2024.