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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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mit einem alten zusammenstößet, welches glaub'
ich vermiethet ist.

. . . . . Aber zu meinem Gefolge in dieser Bio¬
graphie stoßen mit jedem Bogen mehr Leute und
machen mir das Lenken und Schwenken sauerer.
Ich wollte lieber, ich wär' ein Reichsstand und
hätte Millionen zu regieren -- und einzunehmen --
als hier dieses fatale Menschen-Siebeneck, das mit
Mühe in die rechten Sektores zu treiben ist und
worunter ich selber der widerhaarigste bin. Denn
mir als bloßen Biographen steht weder Reichskam¬
mergericht noch Exekutionstruppen wider mein Sie¬
beneck bei; aber als einem Reichsstand thäten sie
mir's schon.

Unsern Abschiedswagen in Scheerau umgab die
fatale Kälte des Professors -- das arbeitsame Ge¬
schrei der Stoikerin -- das zärtliche Lächeln des Pe¬
stilenziarii und dessen Iltisschwänze -- das gute
Herz seines Söhnchens, das kaum mit Lügen von
Gustav abzuschneiden war -- und meine dankbaren
Erinnerungen an unsichtbare Stunden, an geliebte
Menschen und an alle meine Schülerinnen -- --
O daß doch der Mensch hier so viel vergehen sieht,
eh' er selber vergeht.

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mit einem alten zuſammenſtoͤßet, welches glaub'
ich vermiethet iſt.

. . . . . Aber zu meinem Gefolge in dieſer Bio¬
graphie ſtoßen mit jedem Bogen mehr Leute und
machen mir das Lenken und Schwenken ſauerer.
Ich wollte lieber, ich waͤr' ein Reichsſtand und
haͤtte Millionen zu regieren — und einzunehmen —
als hier dieſes fatale Menſchen-Siebeneck, das mit
Muͤhe in die rechten Sektores zu treiben iſt und
worunter ich ſelber der widerhaarigſte bin. Denn
mir als bloßen Biographen ſteht weder Reichskam¬
mergericht noch Exekutionstruppen wider mein Sie¬
beneck bei; aber als einem Reichsſtand thaͤten ſie
mir's ſchon.

Unſern Abſchiedswagen in Scheerau umgab die
fatale Kaͤlte des Profeſſors — das arbeitſame Ge¬
ſchrei der Stoikerin — das zaͤrtliche Laͤcheln des Pe¬
ſtilenziarii und deſſen Iltisſchwaͤnze — das gute
Herz ſeines Soͤhnchens, das kaum mit Luͤgen von
Guſtav abzuſchneiden war — und meine dankbaren
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O daß doch der Menſch hier ſo viel vergehen ſieht,
eh' er ſelber vergeht.

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[177/0213] mit einem alten zuſammenſtoͤßet, welches glaub' ich vermiethet iſt. . . . . . Aber zu meinem Gefolge in dieſer Bio¬ graphie ſtoßen mit jedem Bogen mehr Leute und machen mir das Lenken und Schwenken ſauerer. Ich wollte lieber, ich waͤr' ein Reichsſtand und haͤtte Millionen zu regieren — und einzunehmen — als hier dieſes fatale Menſchen-Siebeneck, das mit Muͤhe in die rechten Sektores zu treiben iſt und worunter ich ſelber der widerhaarigſte bin. Denn mir als bloßen Biographen ſteht weder Reichskam¬ mergericht noch Exekutionstruppen wider mein Sie¬ beneck bei; aber als einem Reichsſtand thaͤten ſie mir's ſchon. Unſern Abſchiedswagen in Scheerau umgab die fatale Kaͤlte des Profeſſors — das arbeitſame Ge¬ ſchrei der Stoikerin — das zaͤrtliche Laͤcheln des Pe¬ ſtilenziarii und deſſen Iltisſchwaͤnze — das gute Herz ſeines Soͤhnchens, das kaum mit Luͤgen von Guſtav abzuſchneiden war — und meine dankbaren Erinnerungen an unſichtbare Stunden, an geliebte Menſchen und an alle meine Schuͤlerinnen — — O daß doch der Menſch hier ſo viel vergehen ſieht, eh' er ſelber vergeht. M

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/213>, abgerufen am 24.11.2024.