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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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den Haaren hatten: denn alles hatte da einander
dabei, aber physisch, ein Hund den andern --
die Knaben die Mädgen -- die Dienerschaft einan¬
der -- die Herrschaft die Dienerschaft -- der Pro¬
fessor die Professorin, wovon ein merkwürdiges
Faktum abgedruckt werden soll -- und alle diese
einander wechselseitig nach der Vermischungsrech¬
nung. -- Zum Unglück hatte Hoppedizel nie Ach¬
tung für irgend einen Menschen (mithin Verach¬
tung auch nicht:) er borgte alles, besudelte alles,
kompromittirte jeden, verzieh jedem und zuerst
sich. Im Winterquartier des Rittmeisters waren
die öhlfarbigten Tapeten (Elle zu 24 Gr.) eine spa¬
nische Wand zwischen des Rittmeisters leeren
Raum und zwischen der Wanzen Wandspalten; der
Ofen war gut, aber wie der babylonische Thurm
ohne Kuppel; die Zimmerdecke drohte (wie wohl
gleich gewissem Thronhimmel schon lange ohne
Schaden) hereinzubrechen und den grösten Philoso¬
phen die Köpfe einzuschlagen, die von Stein auf
dem Spiegeltische standen. Er hatte oft darum
wenig Delikatesse für die Leute, weil er sich dar¬
auf verließ, daß sie deren zu viele hätten, um
die Unsichtbarkeit der seinigen zu rügen -- in Un¬

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den Haaren hatten: denn alles hatte da einander
dabei, aber phyſiſch, ein Hund den andern —
die Knaben die Maͤdgen — die Dienerſchaft einan¬
der — die Herrſchaft die Dienerſchaft — der Pro¬
feſſor die Profeſſorin, wovon ein merkwuͤrdiges
Faktum abgedruckt werden ſoll — und alle dieſe
einander wechſelſeitig nach der Vermiſchungsrech¬
nung. — Zum Ungluͤck hatte Hoppedizel nie Ach¬
tung fuͤr irgend einen Menſchen (mithin Verach¬
tung auch nicht:) er borgte alles, beſudelte alles,
kompromittirte jeden, verzieh jedem und zuerſt
ſich. Im Winterquartier des Rittmeiſters waren
die oͤhlfarbigten Tapeten (Elle zu 24 Gr.) eine ſpa¬
niſche Wand zwiſchen des Rittmeiſters leeren
Raum und zwiſchen der Wanzen Wandſpalten; der
Ofen war gut, aber wie der babyloniſche Thurm
ohne Kuppel; die Zimmerdecke drohte (wie wohl
gleich gewiſſem Thronhimmel ſchon lange ohne
Schaden) hereinzubrechen und den groͤſten Philoſo¬
phen die Koͤpfe einzuſchlagen, die von Stein auf
dem Spiegeltiſche ſtanden. Er hatte oft darum
wenig Delikateſſe fuͤr die Leute, weil er ſich dar¬
auf verließ, daß ſie deren zu viele haͤtten, um
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[163/0199] den Haaren hatten: denn alles hatte da einander dabei, aber phyſiſch, ein Hund den andern — die Knaben die Maͤdgen — die Dienerſchaft einan¬ der — die Herrſchaft die Dienerſchaft — der Pro¬ feſſor die Profeſſorin, wovon ein merkwuͤrdiges Faktum abgedruckt werden ſoll — und alle dieſe einander wechſelſeitig nach der Vermiſchungsrech¬ nung. — Zum Ungluͤck hatte Hoppedizel nie Ach¬ tung fuͤr irgend einen Menſchen (mithin Verach¬ tung auch nicht:) er borgte alles, beſudelte alles, kompromittirte jeden, verzieh jedem und zuerſt ſich. Im Winterquartier des Rittmeiſters waren die oͤhlfarbigten Tapeten (Elle zu 24 Gr.) eine ſpa¬ niſche Wand zwiſchen des Rittmeiſters leeren Raum und zwiſchen der Wanzen Wandſpalten; der Ofen war gut, aber wie der babyloniſche Thurm ohne Kuppel; die Zimmerdecke drohte (wie wohl gleich gewiſſem Thronhimmel ſchon lange ohne Schaden) hereinzubrechen und den groͤſten Philoſo¬ phen die Koͤpfe einzuſchlagen, die von Stein auf dem Spiegeltiſche ſtanden. Er hatte oft darum wenig Delikateſſe fuͤr die Leute, weil er ſich dar¬ auf verließ, daß ſie deren zu viele haͤtten, um die Unſichtbarkeit der ſeinigen zu ruͤgen — in Un¬ L 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/199>, abgerufen am 24.11.2024.