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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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"Ackerbau (fuhr er fort,) Handel, Fabriken
Volksreichthum und Volkswohlleben sogar, kurz
die Körper der Unterthanen kann der schlimmste
Despot erheben und nähren -- aber für ihre See¬
len kann er nichts thun, ohne alles wider seine
zu thun,"

Ich bin oft auf den Gedanken gefallen, ob
nicht die Trauerordnungen oder Abordnungen ha¬
ben wollen, daß der pfiffige und traurige Staats¬
bürger die Erlaubniß der Landtrauer benütze und
seine Haustrauer mit ihr zusammenwerfe? Könnt'
er nicht seinen Partialkummer über die Sterblich¬
keit seiner Tanten, seiner Vettern, aufheben bis
ein universaler einfiele, und so, wenn das Land
den Kondolenzflor um Arm und Degen gewickelt
hätte, alles in Pausch und Bogen wegtrauern
und sich hinter dem nämlichen Flor über eine
Landsmutter und eine Stiefmutter betrüben? Hö¬
fen wärs leicht. Ja könnten diese nicht in der
Landestrauer ihre Sipschaft gar voraus betrauern?
könnte man überhaupt nicht die ganze Narrheit
bleiben lassen? --

Mein neuer Landesherr stieg endlich aus dem
Reisewagen auf den Thron und verwechselte den

„Ackerbau (fuhr er fort,) Handel, Fabriken
Volksreichthum und Volkswohlleben ſogar, kurz
die Koͤrper der Unterthanen kann der ſchlimmſte
Deſpot erheben und naͤhren — aber fuͤr ihre See¬
len kann er nichts thun, ohne alles wider ſeine
zu thun,“

Ich bin oft auf den Gedanken gefallen, ob
nicht die Trauerordnungen oder Abordnungen ha¬
ben wollen, daß der pfiffige und traurige Staats¬
buͤrger die Erlaubniß der Landtrauer benuͤtze und
ſeine Haustrauer mit ihr zuſammenwerfe? Koͤnnt'
er nicht ſeinen Partialkummer uͤber die Sterblich¬
keit ſeiner Tanten, ſeiner Vettern, aufheben bis
ein univerſaler einfiele, und ſo, wenn das Land
den Kondolenzflor um Arm und Degen gewickelt
haͤtte, alles in Pauſch und Bogen wegtrauern
und ſich hinter dem naͤmlichen Flor uͤber eine
Landsmutter und eine Stiefmutter betruͤben? Hoͤ¬
fen waͤrs leicht. Ja koͤnnten dieſe nicht in der
Landestrauer ihre Sipſchaft gar voraus betrauern?
koͤnnte man uͤberhaupt nicht die ganze Narrheit
bleiben laſſen? —

Mein neuer Landesherr ſtieg endlich aus dem
Reiſewagen auf den Thron und verwechſelte den

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[154/0190] „Ackerbau (fuhr er fort,) Handel, Fabriken Volksreichthum und Volkswohlleben ſogar, kurz die Koͤrper der Unterthanen kann der ſchlimmſte Deſpot erheben und naͤhren — aber fuͤr ihre See¬ len kann er nichts thun, ohne alles wider ſeine zu thun,“ Ich bin oft auf den Gedanken gefallen, ob nicht die Trauerordnungen oder Abordnungen ha¬ ben wollen, daß der pfiffige und traurige Staats¬ buͤrger die Erlaubniß der Landtrauer benuͤtze und ſeine Haustrauer mit ihr zuſammenwerfe? Koͤnnt' er nicht ſeinen Partialkummer uͤber die Sterblich¬ keit ſeiner Tanten, ſeiner Vettern, aufheben bis ein univerſaler einfiele, und ſo, wenn das Land den Kondolenzflor um Arm und Degen gewickelt haͤtte, alles in Pauſch und Bogen wegtrauern und ſich hinter dem naͤmlichen Flor uͤber eine Landsmutter und eine Stiefmutter betruͤben? Hoͤ¬ fen waͤrs leicht. Ja koͤnnten dieſe nicht in der Landestrauer ihre Sipſchaft gar voraus betrauern? koͤnnte man uͤberhaupt nicht die ganze Narrheit bleiben laſſen? — Mein neuer Landesherr ſtieg endlich aus dem Reiſewagen auf den Thron und verwechſelte den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/190>, abgerufen am 22.11.2024.