Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.bilt selber ärger als seine Kunden und ist sein ei¬ In Unterscheerau ist das nämliche Unglück aber I
bilt ſelber aͤrger als ſeine Kunden und iſt ſein ei¬ In Unterſcheerau iſt das naͤmliche Ungluͤck aber I
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0165" n="129"/> bilt ſelber aͤrger als ſeine Kunden und iſt ſein ei¬<lb/> gner Kunde. . . .</p><lb/> <p>In Unterſcheerau iſt das naͤmliche Ungluͤck aber<lb/> groͤßer. Eine fremde Dame ſetze ihren netten Fuß<lb/> in das Poſthaus, in den Konzert- oder Tanzſaal,<lb/> in irgend ein Viſitenzimmer: ſogleich ſind alle<lb/> Scheerauerinnen genoͤthigt zu <hi rendition="#g">huſten</hi> und — was<lb/> allzeit vom boͤſen Hals herkoͤmmt — <hi rendition="#g">leiſer</hi> zu re¬<lb/> den — allen fliegt die Braͤune an, d. h. die <choice><sic><hi rendition="#aq">angi¬<lb/> na</hi></sic><corr type="corrigenda"><hi rendition="#aq">angui¬<lb/> na</hi></corr></choice> <hi rendition="#aq">vera</hi>. An den armen Damen erſcheinten alle<lb/> Zeichen der giftigſten Halsentzuͤndung, <hi rendition="#g">Hitze</hi> (da¬<lb/> her das Faͤchern) Schauer, Fieber, ſchweres Athem¬<lb/> holen, <hi rendition="#g">Phantaſien</hi>, aufgeblaͤhte Naſenfluͤgel,<lb/> ſteigender Buſen. <hi rendition="#g">Kuͤhlende</hi> Mittel, Waſſer,<lb/><hi rendition="#g">Entledigung</hi> der Luftroͤhren thun den Patien¬<lb/> tinnen noch die beſten Dienſte. Iſt aber (welches<lb/> der Himmel abkehre) die eintretende Fremde die<lb/> ſchoͤnſte — die beſcheidenſte — die reichſte — die ge¬<lb/> ehrteſte — die am meiſten fetierte — die geſchmack¬<lb/> volleſte — ſo wird keine einzige Patientin im Kran¬<lb/> kenſaale kuriert; ein ſolcher Engel iſt ein wahrer<lb/> Todesengel und man ſollte am Thor gar keine<lb/> Fremde von Verdienſt einpaſſiren laſſen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">I<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [129/0165]
bilt ſelber aͤrger als ſeine Kunden und iſt ſein ei¬
gner Kunde. . . .
In Unterſcheerau iſt das naͤmliche Ungluͤck aber
groͤßer. Eine fremde Dame ſetze ihren netten Fuß
in das Poſthaus, in den Konzert- oder Tanzſaal,
in irgend ein Viſitenzimmer: ſogleich ſind alle
Scheerauerinnen genoͤthigt zu huſten und — was
allzeit vom boͤſen Hals herkoͤmmt — leiſer zu re¬
den — allen fliegt die Braͤune an, d. h. die angui¬
na vera. An den armen Damen erſcheinten alle
Zeichen der giftigſten Halsentzuͤndung, Hitze (da¬
her das Faͤchern) Schauer, Fieber, ſchweres Athem¬
holen, Phantaſien, aufgeblaͤhte Naſenfluͤgel,
ſteigender Buſen. Kuͤhlende Mittel, Waſſer,
Entledigung der Luftroͤhren thun den Patien¬
tinnen noch die beſten Dienſte. Iſt aber (welches
der Himmel abkehre) die eintretende Fremde die
ſchoͤnſte — die beſcheidenſte — die reichſte — die ge¬
ehrteſte — die am meiſten fetierte — die geſchmack¬
volleſte — ſo wird keine einzige Patientin im Kran¬
kenſaale kuriert; ein ſolcher Engel iſt ein wahrer
Todesengel und man ſollte am Thor gar keine
Fremde von Verdienſt einpaſſiren laſſen.
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/165>, abgerufen am 23.07.2024. |