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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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sagte nach einem tiefen Athemzug: "Gott Lob und
Dank! er wird nicht blind!" Erst jezt schlug der
Doktor seine Arme mit doppelter Wärme um den
Freund: "verzeih's: es ist mein Kind!" Gleich¬
wohl nahm er Amandus wieder ans Licht und be¬
schauete ihn noch länger und sagte mit hinaufge¬
zognen Augenbraunen: "Bloß die Selerotica scheint
lädiert; die Okulistin zapfte die wässerige Feuchtig¬
keit heraus. In Pavia sah ichs alle Wochen an
Hunden, denen die Zahnärzte (unsre medizini¬
schen Lehnsvettern) die Augen aufschnitten und ei¬
ne dumme Salbe darauf strichen. Wenn nachher
die Feuchtigkeit und das Gesicht von selber wieder
kam: so hatt' es die Salbe gethan."

Ich übergehe jezt den Strom von gesprächiger
und freudiger Ergießung, vor dem sie kaum
mehr hörten und sahen, am wenigsten die Uhr --
"ach sie kommen!" sagte Fenk, nämlich die Gä¬
ste. -- Da meine Leser Verstand genug haben:
so können sie mich hoff' ich auserzählen lassen, eh'
sie ihre Zornruthe gegen den bildlichen Steis des
Doktors hinter dem Spiegel vorholen. --

Niemand als er haßte so brennend das Enge;
das Intolerante und Kleinstädtsche der Unterschee¬

ſagte nach einem tiefen Athemzug: „Gott Lob und
Dank! er wird nicht blind!“ Erſt jezt ſchlug der
Doktor ſeine Arme mit doppelter Waͤrme um den
Freund: „verzeih's: es iſt mein Kind!“ Gleich¬
wohl nahm er Amandus wieder ans Licht und be¬
ſchauete ihn noch laͤnger und ſagte mit hinaufge¬
zognen Augenbraunen: „Bloß die Selerotica ſcheint
laͤdiert; die Okuliſtin zapfte die waͤſſerige Feuchtig¬
keit heraus. In Pavia ſah ichs alle Wochen an
Hunden, denen die Zahnaͤrzte (unſre medizini¬
ſchen Lehnsvettern) die Augen aufſchnitten und ei¬
ne dumme Salbe darauf ſtrichen. Wenn nachher
die Feuchtigkeit und das Geſicht von ſelber wieder
kam: ſo hatt' es die Salbe gethan.“

Ich uͤbergehe jezt den Strom von geſpraͤchiger
und freudiger Ergießung, vor dem ſie kaum
mehr hoͤrten und ſahen, am wenigſten die Uhr —
„ach ſie kommen!“ ſagte Fenk, naͤmlich die Gaͤ¬
ſte. — Da meine Leſer Verſtand genug haben:
ſo koͤnnen ſie mich hoff' ich auserzaͤhlen laſſen, eh'
ſie ihre Zornruthe gegen den bildlichen Steis des
Doktors hinter dem Spiegel vorholen. —

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das Intolerante und Kleinſtaͤdtſche der Unterſchee¬

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[123/0159] ſagte nach einem tiefen Athemzug: „Gott Lob und Dank! er wird nicht blind!“ Erſt jezt ſchlug der Doktor ſeine Arme mit doppelter Waͤrme um den Freund: „verzeih's: es iſt mein Kind!“ Gleich¬ wohl nahm er Amandus wieder ans Licht und be¬ ſchauete ihn noch laͤnger und ſagte mit hinaufge¬ zognen Augenbraunen: „Bloß die Selerotica ſcheint laͤdiert; die Okuliſtin zapfte die waͤſſerige Feuchtig¬ keit heraus. In Pavia ſah ichs alle Wochen an Hunden, denen die Zahnaͤrzte (unſre medizini¬ ſchen Lehnsvettern) die Augen aufſchnitten und ei¬ ne dumme Salbe darauf ſtrichen. Wenn nachher die Feuchtigkeit und das Geſicht von ſelber wieder kam: ſo hatt' es die Salbe gethan.“ Ich uͤbergehe jezt den Strom von geſpraͤchiger und freudiger Ergießung, vor dem ſie kaum mehr hoͤrten und ſahen, am wenigſten die Uhr — „ach ſie kommen!“ ſagte Fenk, naͤmlich die Gaͤ¬ ſte. — Da meine Leſer Verſtand genug haben: ſo koͤnnen ſie mich hoff' ich auserzaͤhlen laſſen, eh' ſie ihre Zornruthe gegen den bildlichen Steis des Doktors hinter dem Spiegel vorholen. — Niemand als er haßte ſo brennend das Enge; das Intolerante und Kleinſtaͤdtſche der Unterſchee¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/159>, abgerufen am 26.11.2024.