Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.Gesichter hübsch. Residenzstädte haben wie Höfe Vor der überblechten Hausthür des Professor Geſichter huͤbſch. Reſidenzſtaͤdte haben wie Hoͤfe Vor der uͤberblechten Hausthuͤr des Profeſſor <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0155" n="119"/> Geſichter huͤbſch. Reſidenzſtaͤdte haben wie Hoͤfe<lb/> Familienaͤhnlichkeit; aber Landſtaͤdte haben — je<lb/> nachdem mehr merkantiliſche, militairiſche, juriſti¬<lb/> ſche, bergmaͤnnniſche, ſeemaͤnniſche (die ſchlimmſten)<lb/> Saͤfte in ihnen rinnen — ein verſchiednes Vollge¬<lb/> ſicht und Halbgeſicht.</p><lb/> <p>Vor der uͤberblechten Hausthuͤr des Profeſſor<lb/><hi rendition="#g">Hoppedizels</hi> ſtieg die Falkenbergiſche Schifge¬<lb/> ſellſchaft aus ihrer fahrenden Arche: ſie hielt in<lb/> des Profeſſors zweitem Stockwerk gewoͤhnlich ihr<lb/> Winterquartier. Gleich hinter der Hausthuͤre ſtieß<lb/> der Rittmeiſter auf ein tolles Melodrama. Naͤm¬<lb/> lich der Floͤßinſpektor <hi rendition="#g">Peuſchel</hi> lehnte ſich an die<lb/> Wand und vomirte und ſchimpfte; und wechſelte<lb/> damit regelmaͤßig, wie mit Pentameter und Hexa¬<lb/> meter — Der Profeſſor der Moral ſchrieb mit ei¬<lb/> nem uneingetunkten Finger ruhig die Zuͤge folgen¬<lb/> der Worte an die Wand, die er unaufhoͤrlich ab¬<lb/> las: „ekelhaft war's wohl, verteufelt ekelhaft!“ —<lb/> Aus jedem andern haͤtte ein eintretender alter<lb/> Freund wie Falkenberg ſogleich die ganze Szene<lb/> weggewieſen; aber der Profeſſor war nicht aus ſei¬<lb/> nem Spas zu ziehen ſondern hob ſeine Umhalſung<lb/> in unveraͤndertem Tone mit dem Rapport des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0155]
Geſichter huͤbſch. Reſidenzſtaͤdte haben wie Hoͤfe
Familienaͤhnlichkeit; aber Landſtaͤdte haben — je
nachdem mehr merkantiliſche, militairiſche, juriſti¬
ſche, bergmaͤnnniſche, ſeemaͤnniſche (die ſchlimmſten)
Saͤfte in ihnen rinnen — ein verſchiednes Vollge¬
ſicht und Halbgeſicht.
Vor der uͤberblechten Hausthuͤr des Profeſſor
Hoppedizels ſtieg die Falkenbergiſche Schifge¬
ſellſchaft aus ihrer fahrenden Arche: ſie hielt in
des Profeſſors zweitem Stockwerk gewoͤhnlich ihr
Winterquartier. Gleich hinter der Hausthuͤre ſtieß
der Rittmeiſter auf ein tolles Melodrama. Naͤm¬
lich der Floͤßinſpektor Peuſchel lehnte ſich an die
Wand und vomirte und ſchimpfte; und wechſelte
damit regelmaͤßig, wie mit Pentameter und Hexa¬
meter — Der Profeſſor der Moral ſchrieb mit ei¬
nem uneingetunkten Finger ruhig die Zuͤge folgen¬
der Worte an die Wand, die er unaufhoͤrlich ab¬
las: „ekelhaft war's wohl, verteufelt ekelhaft!“ —
Aus jedem andern haͤtte ein eintretender alter
Freund wie Falkenberg ſogleich die ganze Szene
weggewieſen; aber der Profeſſor war nicht aus ſei¬
nem Spas zu ziehen ſondern hob ſeine Umhalſung
in unveraͤndertem Tone mit dem Rapport des
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/155>, abgerufen am 23.07.2024. |