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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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tern soll; er seufzt und weiß nicht worüber
und wofür. Er möchte sterben und leben,
tödten und küssen, weinen und lachen; aber er
kann doch nicht seine süßglühende Hölle aus-
löschen mit allen Thränen der ersten Sehn-
sucht.

Wie wolgemuth und froh hält dagegen ein
Mann wie Nieß, der schon öfter den heißen
Liebes-Gleicher passirt ist, den bittersten Her-
zens-Harm aus! Ordentlich mit Lust schmilzt
er in Thränen und schnalzt, wie ein lustiger
Fisch. Das Gefühl, das bey einem mathe-
matischen Theudobach eine drückende Perle in
der Auster ist, trägt er als eine schmückende
aussen an sich. Kurz er gehört zu den Leuten,
wovon ich einmal folgendes geträumt. Ich
hatte aber vorher gelesen, wie man in Oest-
reich die Kompagnieen zum Beten so komman-
dirt: "stellt euch zum Gebet! -- Hergestellt
euch zum Gebet! -- Kniet nieder zum Ge-
bet! -- Auf vom Gebet!" -- Da der Flü-
gelmann alle andächtigen Handgriffe deutlich
vormacht und früher als die Kompagnie sein

tern ſoll; er ſeufzt und weiß nicht woruͤber
und wofuͤr. Er moͤchte ſterben und leben,
toͤdten und kuͤſſen, weinen und lachen; aber er
kann doch nicht ſeine ſuͤßgluͤhende Hölle aus-
loͤſchen mit allen Thraͤnen der erſten Sehn-
ſucht.

Wie wolgemuth und froh haͤlt dagegen ein
Mann wie Nieß, der ſchon oͤfter den heißen
Liebes-Gleicher paſſirt iſt, den bitterſten Her-
zens-Harm aus! Ordentlich mit Luſt ſchmilzt
er in Thraͤnen und ſchnalzt, wie ein luſtiger
Fiſch. Das Gefuͤhl, das bey einem mathe-
matiſchen Theudobach eine druͤckende Perle in
der Auſter iſt, traͤgt er als eine ſchmuͤckende
auſſen an ſich. Kurz er gehoͤrt zu den Leuten,
wovon ich einmal folgendes getraͤumt. Ich
hatte aber vorher geleſen, wie man in Oeſt-
reich die Kompagnieen zum Beten ſo komman-
dirt: „ſtellt euch zum Gebet! — Hergeſtellt
euch zum Gebet! — Kniet nieder zum Ge-
bet! — Auf vom Gebet!” — Da der Fluͤ-
gelmann alle andaͤchtigen Handgriffe deutlich
vormacht und fruͤher als die Kompagnie ſein

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[56/0062] tern ſoll; er ſeufzt und weiß nicht woruͤber und wofuͤr. Er moͤchte ſterben und leben, toͤdten und kuͤſſen, weinen und lachen; aber er kann doch nicht ſeine ſuͤßgluͤhende Hölle aus- loͤſchen mit allen Thraͤnen der erſten Sehn- ſucht. Wie wolgemuth und froh haͤlt dagegen ein Mann wie Nieß, der ſchon oͤfter den heißen Liebes-Gleicher paſſirt iſt, den bitterſten Her- zens-Harm aus! Ordentlich mit Luſt ſchmilzt er in Thraͤnen und ſchnalzt, wie ein luſtiger Fiſch. Das Gefuͤhl, das bey einem mathe- matiſchen Theudobach eine druͤckende Perle in der Auſter iſt, traͤgt er als eine ſchmuͤckende auſſen an ſich. Kurz er gehoͤrt zu den Leuten, wovon ich einmal folgendes getraͤumt. Ich hatte aber vorher geleſen, wie man in Oeſt- reich die Kompagnieen zum Beten ſo komman- dirt: „ſtellt euch zum Gebet! — Hergeſtellt euch zum Gebet! — Kniet nieder zum Ge- bet! — Auf vom Gebet!” — Da der Fluͤ- gelmann alle andaͤchtigen Handgriffe deutlich vormacht und fruͤher als die Kompagnie ſein

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/62>, abgerufen am 24.11.2024.