Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

unsere stechende Gegenwart, zwischen der Er-
innrung und der Hoffnung.


Der Eichenwald.

Fälle meinen heiligen Eichenwald nicht, o
Fürst, sagte die Dryade, ich strafe dich hart.
Er fällte ihn aber. Nach vielen Jahren mußte
er sein Haupt auf den Richtblock hinstrecken
und er sah den Block aufmerksam an und
rief: er ist von Eichenholz.


Der Pfeil des Todes.

Sobald wir anfangen zu leben, drückt oben
das Schicksal den Pfeil des Todes aus der
Ewigkeit ab -- er fliegt so lange als wir ath-
men, und wenn er ankommt, so hören wir
auf. "O stürben wir doch auch so alt, und
lebenssatt wie unser Jubel-Greis!" sagen dann
diejenigen, deren Pfeile noch fliegen.


Aehrenlesen armer Kinder.

Seht hier Blüten, die schon Früchte tragen!

unſere ſtechende Gegenwart, zwiſchen der Er-
innrung und der Hoffnung.


Der Eichenwald.

Fälle meinen heiligen Eichenwald nicht, o
Fuͤrſt, ſagte die Dryade, ich ſtrafe dich hart.
Er faͤllte ihn aber. Nach vielen Jahren mußte
er ſein Haupt auf den Richtblock hinſtrecken
und er ſah den Block aufmerkſam an und
rief: er iſt von Eichenholz.


Der Pfeil des Todes.

Sobald wir anfangen zu leben, druͤckt oben
das Schickſal den Pfeil des Todes aus der
Ewigkeit ab — er fliegt ſo lange als wir ath-
men, und wenn er ankommt, ſo hoͤren wir
auf. „O ſtuͤrben wir doch auch ſo alt, und
lebensſatt wie unſer Jubel-Greis!“ ſagen dann
diejenigen, deren Pfeile noch fliegen.


Aehrenleſen armer Kinder.

Seht hier Bluͤten, die ſchon Fruͤchte tragen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0289" n="283"/>
un&#x017F;ere &#x017F;techende Gegenwart, zwi&#x017F;chen der Er-<lb/>
innrung und der Hoffnung.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Der Eichenwald</hi>.</head><lb/>
          <p>Fälle meinen heiligen Eichenwald nicht, o<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t, &#x017F;agte die Dryade, ich &#x017F;trafe dich hart.<lb/>
Er fa&#x0364;llte ihn aber. Nach vielen Jahren mußte<lb/>
er &#x017F;ein Haupt auf den Richtblock hin&#x017F;trecken<lb/>
und er &#x017F;ah den Block aufmerk&#x017F;am an und<lb/>
rief: er i&#x017F;t von Eichenholz.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Der Pfeil des Todes</hi>.</head><lb/>
          <p>Sobald wir anfangen zu leben, dru&#x0364;ckt oben<lb/>
das Schick&#x017F;al den Pfeil des Todes aus der<lb/>
Ewigkeit ab &#x2014; er fliegt &#x017F;o lange als wir ath-<lb/>
men, und wenn er ankommt, &#x017F;o ho&#x0364;ren wir<lb/>
auf. &#x201E;O &#x017F;tu&#x0364;rben wir doch auch &#x017F;o alt, und<lb/>
lebens&#x017F;att wie un&#x017F;er Jubel-Greis!&#x201C; &#x017F;agen dann<lb/>
diejenigen, deren Pfeile noch fliegen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Aehrenle&#x017F;en armer Kinder</hi>.</head><lb/>
          <p>Seht hier Blu&#x0364;ten, die &#x017F;chon Fru&#x0364;chte tragen!</p>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0289] unſere ſtechende Gegenwart, zwiſchen der Er- innrung und der Hoffnung. Der Eichenwald. Fälle meinen heiligen Eichenwald nicht, o Fuͤrſt, ſagte die Dryade, ich ſtrafe dich hart. Er faͤllte ihn aber. Nach vielen Jahren mußte er ſein Haupt auf den Richtblock hinſtrecken und er ſah den Block aufmerkſam an und rief: er iſt von Eichenholz. Der Pfeil des Todes. Sobald wir anfangen zu leben, druͤckt oben das Schickſal den Pfeil des Todes aus der Ewigkeit ab — er fliegt ſo lange als wir ath- men, und wenn er ankommt, ſo hoͤren wir auf. „O ſtuͤrben wir doch auch ſo alt, und lebensſatt wie unſer Jubel-Greis!“ ſagen dann diejenigen, deren Pfeile noch fliegen. Aehrenleſen armer Kinder. Seht hier Bluͤten, die ſchon Fruͤchte tragen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/289
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/289>, abgerufen am 03.12.2024.