Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

und es zerfloß in lauter Liebe, in grenzenlose
Liebe -- und die Schöpfung drang erblaßend
aber nah an seine Brust -- und sein Wesen
und alle Wesen wurden eine einzige Liebe --
und durch die Liebesthränen schimmerte die
Natur als eine blühende Aue herein, und die
Meere lagen darauf wie dunkelgrüner Regen,
und die Sonnen wie feuriger Thau -- und
vor dem Sonnenfeuer des Allmächtigen stand
die Geisterwelt als Regenbogen, und die See-
len brachen, von einem Jahrtausend ins andere
tropfend, sein Licht in alle Farben, und der
Regenbogen wankte nie, und wechselte nur die
Tropfen, nicht die Farben. --

Der Alliebende schaute an seine volle Schöp-
fung, und sagte: "ich lieb' euch alle von Ewig-
keit -- ich liebe den Wurm im Meer und das
Kind auf der Erde, und den Engel auf der
Sonne. -- Warum hast du gezagt? Hab'
ich dir nicht das erste Leben schon gereicht
und die Liebe, und die Freude, und die Wahr-
heit? Bin ich nicht in deinem Herzen?" -- --
Da zogen die Welten mit ihren Todtenglocken

und es zerfloß in lauter Liebe, in grenzenloſe
Liebe — und die Schoͤpfung drang erblaßend
aber nah an ſeine Bruſt — und ſein Weſen
und alle Weſen wurden eine einzige Liebe —
und durch die Liebesthraͤnen ſchimmerte die
Natur als eine bluͤhende Aue herein, und die
Meere lagen darauf wie dunkelgruͤner Regen,
und die Sonnen wie feuriger Thau — und
vor dem Sonnenfeuer des Allmächtigen ſtand
die Geiſterwelt als Regenbogen, und die See-
len brachen, von einem Jahrtauſend ins andere
tropfend, ſein Licht in alle Farben, und der
Regenbogen wankte nie, und wechſelte nur die
Tropfen, nicht die Farben. —

Der Alliebende ſchaute an ſeine volle Schoͤp-
fung, und ſagte: „ich lieb’ euch alle von Ewig-
keit — ich liebe den Wurm im Meer und das
Kind auf der Erde, und den Engel auf der
Sonne. — Warum haſt du gezagt? Hab’
ich dir nicht das erſte Leben ſchon gereicht
und die Liebe, und die Freude, und die Wahr-
heit? Bin ich nicht in deinem Herzen?“ — —
Da zogen die Welten mit ihren Todtenglocken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="278"/>
und es zerfloß in lauter Liebe, in grenzenlo&#x017F;e<lb/>
Liebe &#x2014; und die Scho&#x0364;pfung drang erblaßend<lb/>
aber nah an &#x017F;eine Bru&#x017F;t &#x2014; und &#x017F;ein We&#x017F;en<lb/>
und alle We&#x017F;en wurden eine einzige Liebe &#x2014;<lb/>
und durch die Liebesthra&#x0364;nen &#x017F;chimmerte die<lb/>
Natur als eine blu&#x0364;hende Aue herein, und die<lb/>
Meere lagen darauf wie dunkelgru&#x0364;ner Regen,<lb/>
und die Sonnen wie feuriger Thau &#x2014; und<lb/>
vor dem Sonnenfeuer des Allmächtigen &#x017F;tand<lb/>
die Gei&#x017F;terwelt als Regenbogen, und die See-<lb/>
len brachen, von einem Jahrtau&#x017F;end ins andere<lb/>
tropfend, &#x017F;ein Licht in alle Farben, und der<lb/>
Regenbogen wankte nie, und wech&#x017F;elte nur die<lb/>
Tropfen, nicht die Farben. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der Alliebende &#x017F;chaute an &#x017F;eine volle Scho&#x0364;p-<lb/>
fung, und &#x017F;agte: &#x201E;ich lieb&#x2019; euch alle von Ewig-<lb/>
keit &#x2014; ich liebe den Wurm im Meer und das<lb/>
Kind auf der Erde, und den Engel auf der<lb/>
Sonne. &#x2014; Warum ha&#x017F;t du gezagt? Hab&#x2019;<lb/>
ich dir nicht das er&#x017F;te Leben &#x017F;chon gereicht<lb/>
und die Liebe, und die Freude, und die Wahr-<lb/>
heit? Bin ich nicht in deinem Herzen?&#x201C; &#x2014; &#x2014;<lb/>
Da zogen die Welten mit ihren Todtenglocken<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0284] und es zerfloß in lauter Liebe, in grenzenloſe Liebe — und die Schoͤpfung drang erblaßend aber nah an ſeine Bruſt — und ſein Weſen und alle Weſen wurden eine einzige Liebe — und durch die Liebesthraͤnen ſchimmerte die Natur als eine bluͤhende Aue herein, und die Meere lagen darauf wie dunkelgruͤner Regen, und die Sonnen wie feuriger Thau — und vor dem Sonnenfeuer des Allmächtigen ſtand die Geiſterwelt als Regenbogen, und die See- len brachen, von einem Jahrtauſend ins andere tropfend, ſein Licht in alle Farben, und der Regenbogen wankte nie, und wechſelte nur die Tropfen, nicht die Farben. — Der Alliebende ſchaute an ſeine volle Schoͤp- fung, und ſagte: „ich lieb’ euch alle von Ewig- keit — ich liebe den Wurm im Meer und das Kind auf der Erde, und den Engel auf der Sonne. — Warum haſt du gezagt? Hab’ ich dir nicht das erſte Leben ſchon gereicht und die Liebe, und die Freude, und die Wahr- heit? Bin ich nicht in deinem Herzen?“ — — Da zogen die Welten mit ihren Todtenglocken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/284
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/284>, abgerufen am 22.11.2024.