Blut auf die verschämten Wangen trieb -- und legte das blühende Leben unter die auf- gespannte Parzenscheere -- und es entflog in die ewige Welt . . . . O nur nicht mehr als einen Augenblick habe der Erdenschmerz, der Erdentod den hohen Geist verfinstert, wie der Berggipfel die Sonne des längsten Som- mertags nur eine Minute verdeckt, zwischen ihrem Unter- und Aufgang! -- Du aber, edler Mainzer, gehe nun mit deiner entbrann- ten Seele heim, und sage noch einmal die kühne Wahrheit, und kehre dann auf dieses Sterbegerüste zurück! -- Und niemand von uns weine über die Hohe, sondern er opfere wie sie, was Gott von ihm begehrt, es sey das Leben oder weniger! --
Die Erzählung war geendigt. Ich faßte die Hand des Grafen, der weinend seinen Mund auf Cordays Bild gedrückt. Das Gewitter hing brausend auf uns herein und schien vom unaufhörlichen Blitze wie über- schleyert, oder verflüchtigt. Auf einmal trat
Blut auf die verſchaͤmten Wangen trieb — und legte das bluͤhende Leben unter die auf- geſpannte Parzenſcheere — und es entflog in die ewige Welt . . . . O nur nicht mehr als einen Augenblick habe der Erdenſchmerz, der Erdentod den hohen Geiſt verfinſtert, wie der Berggipfel die Sonne des laͤngſten Som- mertags nur eine Minute verdeckt, zwiſchen ihrem Unter- und Aufgang! — Du aber, edler Mainzer, gehe nun mit deiner entbrann- ten Seele heim, und ſage noch einmal die kuͤhne Wahrheit, und kehre dann auf dieſes Sterbegeruͤſte zuruͤck! — Und niemand von uns weine uͤber die Hohe, ſondern er opfere wie ſie, was Gott von ihm begehrt, es ſey das Leben oder weniger! —
Die Erzaͤhlung war geendigt. Ich faßte die Hand des Grafen, der weinend ſeinen Mund auf Cordays Bild gedruͤckt. Das Gewitter hing brauſend auf uns herein und ſchien vom unaufhoͤrlichen Blitze wie uͤber- ſchleyert, oder verfluͤchtigt. Auf einmal trat
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Blut auf die verſchaͤmten Wangen trieb —
und legte das bluͤhende Leben unter die auf-
geſpannte Parzenſcheere — und es entflog in
die ewige Welt . . . . O nur nicht mehr
als einen Augenblick habe der Erdenſchmerz,
der Erdentod den hohen Geiſt verfinſtert, wie
der Berggipfel die Sonne des laͤngſten Som-
mertags nur eine Minute verdeckt, zwiſchen
ihrem Unter- und Aufgang! — Du aber,
edler Mainzer, gehe nun mit deiner entbrann-
ten Seele heim, und ſage noch einmal die
kuͤhne Wahrheit, und kehre dann auf dieſes
Sterbegeruͤſte zuruͤck! — Und niemand von
uns weine uͤber die Hohe, ſondern er opfere
wie ſie, was Gott von ihm begehrt, es ſey
das Leben oder weniger! —
Die Erzaͤhlung war geendigt. Ich faßte
die Hand des Grafen, der weinend ſeinen
Mund auf Cordays Bild gedruͤckt. Das
Gewitter hing brauſend auf uns herein und
ſchien vom unaufhoͤrlichen Blitze wie uͤber-
ſchleyert, oder verfluͤchtigt. Auf einmal trat
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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