müthigen Bewegungen eines Volks, wird leicht das zarte moralische Urtheil wie durch ein Erdbeben, die Magnetnadel entkräftet und verrückt. Der Geist der Zeit, von welchem je- der durch seinen einzelnen sich rein zu halten glaubt, besteht ja aus nichts, als vielen ein- zelnen Geistern; und jeder ist früher der Schü- ler als der Lehrer des Jahrhunderts, wie früher ein Sohn als ein Vater; nur aber, daß weil wir die Farbe des säkularischen Gei- stes blos in grossen Massen spüren, jene uns aus den einzelnen Wesen, woraus sie allein zusammenfließt, verschwindet; wie ein einziges aus dem grauen Welt-Meer geschöpftes Glas Wasser rein und hell zu seyn scheint. -- Auch über den festen Mainzer, der ungleich dem Revoluzionshaufen, nicht nur Segel, son- dern auch Anker hatte, regiert ein Geist der Zeit, oder vielmehr ein Geist des Volks, -- er war ein Deutscher.
"Ich sehne mich wieder, sagte der Graf, nach der großen Corday; ihr Bild vor mir thut mir so wohl wie der jetzige Donner über
muͤthigen Bewegungen eines Volks, wird leicht das zarte moraliſche Urtheil wie durch ein Erdbeben, die Magnetnadel entkraͤftet und verruͤckt. Der Geiſt der Zeit, von welchem je- der durch ſeinen einzelnen ſich rein zu halten glaubt, beſteht ja aus nichts, als vielen ein- zelnen Geiſtern; und jeder iſt fruͤher der Schuͤ- ler als der Lehrer des Jahrhunderts, wie fruͤher ein Sohn als ein Vater; nur aber, daß weil wir die Farbe des ſaͤkulariſchen Gei- ſtes blos in groſſen Maſſen ſpuͤren, jene uns aus den einzelnen Weſen, woraus ſie allein zuſammenfließt, verſchwindet; wie ein einziges aus dem grauen Welt-Meer geſchoͤpftes Glas Waſſer rein und hell zu ſeyn ſcheint. — Auch uͤber den feſten Mainzer, der ungleich dem Revoluzionshaufen, nicht nur Segel, ſon- dern auch Anker hatte, regiert ein Geiſt der Zeit, oder vielmehr ein Geiſt des Volks, — er war ein Deutſcher.
„Ich ſehne mich wieder, ſagte der Graf, nach der großen Corday; ihr Bild vor mir thut mir ſo wohl wie der jetzige Donner uͤber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0259"n="253"/>
muͤthigen Bewegungen eines Volks, wird<lb/>
leicht das zarte moraliſche Urtheil wie durch<lb/>
ein Erdbeben, die Magnetnadel entkraͤftet und<lb/>
verruͤckt. Der Geiſt der Zeit, von welchem je-<lb/>
der durch ſeinen einzelnen ſich rein zu halten<lb/>
glaubt, beſteht ja aus nichts, als vielen ein-<lb/>
zelnen Geiſtern; und jeder iſt fruͤher der Schuͤ-<lb/>
ler als der Lehrer des Jahrhunderts, wie<lb/>
fruͤher ein Sohn als ein Vater; nur aber,<lb/>
daß weil wir die Farbe des ſaͤkulariſchen Gei-<lb/>ſtes blos in groſſen Maſſen ſpuͤren, jene uns<lb/>
aus den einzelnen Weſen, woraus ſie allein<lb/>
zuſammenfließt, verſchwindet; wie ein einziges<lb/>
aus dem grauen Welt-Meer geſchoͤpftes Glas<lb/>
Waſſer rein und hell zu ſeyn ſcheint. — Auch<lb/>
uͤber den feſten Mainzer, der ungleich dem<lb/>
Revoluzionshaufen, nicht nur <hirendition="#g">Segel</hi>, ſon-<lb/>
dern auch <hirendition="#g">Anker</hi> hatte, regiert ein Geiſt der<lb/>
Zeit, oder vielmehr ein Geiſt des Volks, —<lb/>
er war ein Deutſcher.</p><lb/><p>„Ich ſehne mich wieder, ſagte der Graf,<lb/>
nach der großen Corday; ihr Bild vor mir<lb/>
thut mir ſo wohl wie der jetzige Donner uͤber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[253/0259]
muͤthigen Bewegungen eines Volks, wird
leicht das zarte moraliſche Urtheil wie durch
ein Erdbeben, die Magnetnadel entkraͤftet und
verruͤckt. Der Geiſt der Zeit, von welchem je-
der durch ſeinen einzelnen ſich rein zu halten
glaubt, beſteht ja aus nichts, als vielen ein-
zelnen Geiſtern; und jeder iſt fruͤher der Schuͤ-
ler als der Lehrer des Jahrhunderts, wie
fruͤher ein Sohn als ein Vater; nur aber,
daß weil wir die Farbe des ſaͤkulariſchen Gei-
ſtes blos in groſſen Maſſen ſpuͤren, jene uns
aus den einzelnen Weſen, woraus ſie allein
zuſammenfließt, verſchwindet; wie ein einziges
aus dem grauen Welt-Meer geſchoͤpftes Glas
Waſſer rein und hell zu ſeyn ſcheint. — Auch
uͤber den feſten Mainzer, der ungleich dem
Revoluzionshaufen, nicht nur Segel, ſon-
dern auch Anker hatte, regiert ein Geiſt der
Zeit, oder vielmehr ein Geiſt des Volks, —
er war ein Deutſcher.
„Ich ſehne mich wieder, ſagte der Graf,
nach der großen Corday; ihr Bild vor mir
thut mir ſo wohl wie der jetzige Donner uͤber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/259>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.