Gott eine große Idee bescheert, für die allein er lebt und handelt, die er höher achtet als seine Freuden, die immer jung und wachsend ihm die abmattende Eintönigkeit des Lebens verbirgt! Als Gott (nach der Fabel) die Hände auf Muhammed legte, wurd' ihm eiskalt; wenn ein unendlicher Genius die Seele mit dem höchsten Enthusiasmus anrührt, und begabt, dann wird sie still und kalt, denn nun ist sie auf ewig gewiß."
Donnerstags (den 11ten July) kam Char- lotte Corday in Paris als auf dem Richtplaz ihres Vaterlandes und ihres vorigen innern Lebens und ihres jetzigen äußern an, wiewohl als ein stiller weißer Mond, der da aus dem heißen hohlen Krater aufgehen muß, wie vor Neapel der Mond aus dem Vesuv. Sie ging zuerst zum Deputirten Düperret (einem noch nicht vertriebenen aber schon angeklagten Gi- rondisten, den man erst später hinrichtete) über- gab ihm einen Brief von Barbaroux, und bat ihn, sie zum Minister des Innern zu beglei- ten, dem sie Papiere einer Freundin abzufor-
Gott eine große Idee beſcheert, fuͤr die allein er lebt und handelt, die er hoͤher achtet als ſeine Freuden, die immer jung und wachſend ihm die abmattende Eintoͤnigkeit des Lebens verbirgt! Als Gott (nach der Fabel) die Haͤnde auf Muhammed legte, wurd’ ihm eiskalt; wenn ein unendlicher Genius die Seele mit dem hoͤchſten Enthuſiasmus anrührt, und begabt, dann wird ſie ſtill und kalt, denn nun iſt ſie auf ewig gewiß.“
Donnerſtags (den 11ten July) kam Char- lotte Corday in Paris als auf dem Richtplaz ihres Vaterlandes und ihres vorigen innern Lebens und ihres jetzigen aͤußern an, wiewohl als ein ſtiller weißer Mond, der da aus dem heißen hohlen Krater aufgehen muß, wie vor Neapel der Mond aus dem Veſuv. Sie ging zuerſt zum Deputirten Duͤperret (einem noch nicht vertriebenen aber ſchon angeklagten Gi- rondiſten, den man erſt ſpaͤter hinrichtete) uͤber- gab ihm einen Brief von Barbaroux, und bat ihn, ſie zum Miniſter des Innern zu beglei- ten, dem ſie Papiere einer Freundin abzufor-
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Gott eine große Idee beſcheert, fuͤr die allein
er lebt und handelt, die er hoͤher achtet als
ſeine Freuden, die immer jung und wachſend
ihm die abmattende Eintoͤnigkeit des Lebens
verbirgt! Als Gott (nach der Fabel) die Haͤnde
auf Muhammed legte, wurd’ ihm eiskalt; wenn
ein unendlicher Genius die Seele mit dem
hoͤchſten Enthuſiasmus anrührt, und begabt,
dann wird ſie ſtill und kalt, denn nun iſt ſie
auf ewig gewiß.“
Donnerſtags (den 11ten July) kam Char-
lotte Corday in Paris als auf dem Richtplaz
ihres Vaterlandes und ihres vorigen innern
Lebens und ihres jetzigen aͤußern an, wiewohl
als ein ſtiller weißer Mond, der da aus dem
heißen hohlen Krater aufgehen muß, wie vor
Neapel der Mond aus dem Veſuv. Sie ging
zuerſt zum Deputirten Duͤperret (einem noch
nicht vertriebenen aber ſchon angeklagten Gi-
rondiſten, den man erſt ſpaͤter hinrichtete) uͤber-
gab ihm einen Brief von Barbaroux, und bat
ihn, ſie zum Miniſter des Innern zu beglei-
ten, dem ſie Papiere einer Freundin abzufor-
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/249>, abgerufen am 25.11.2024.
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