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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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Wir wollen auf die Corday zurückkommen,
sagte der Präsident; es wirft sich sogar über
Nothwehr, d. h. den Erkauf meines Lebens
durch ein fremdes, die Frage der Rechtmässig-
keit auf. Warum soll das meinige stets mehr
wiegen als das fremde? Ich für meine Per-
son könnte deßhalb den größern Vertheidigungs-
Muth weniger gegen Angriffe des meinigen
als gegen die eines fremden, z. B. meiner
Kinder beweisen, wie eine Mutter nur für
diese, nicht für sich eine Löwin wird."

Allerdings entscheiden hier Lebens-Abwä-
gungen nicht, sagt' ich, weil sonst zwey Drit-
tel der Menschen vogelfrey würden: sondern
die verletzte Geistes-Majestät, die am Leibe
oder Leben so beleidigt wird, wie ein Fürst an
seinem beschimpften nächsten Diener, soll ge-
rächt und behauptet werden. Jeder Despot
tastet in meinem körperlichen Leben nur mein
geistiges an. -- Weßwegen sonst glaubt der
Beleidiger sich Genugthuung durch den Zwei-
kampf zu verschaffen, als weil dieser die ver-
letzte Geister-Gleichheit durch ein gleiches

Wir wollen auf die Corday zuruͤckkommen,
ſagte der Praͤſident; es wirft ſich ſogar uͤber
Nothwehr, d. h. den Erkauf meines Lebens
durch ein fremdes, die Frage der Rechtmaͤſſig-
keit auf. Warum ſoll das meinige ſtets mehr
wiegen als das fremde? Ich fuͤr meine Per-
ſon koͤnnte deßhalb den groͤßern Vertheidigungs-
Muth weniger gegen Angriffe des meinigen
als gegen die eines fremden, z. B. meiner
Kinder beweiſen, wie eine Mutter nur fuͤr
dieſe, nicht fuͤr ſich eine Loͤwin wird.“

Allerdings entſcheiden hier Lebens-Abwaͤ-
gungen nicht, ſagt’ ich, weil ſonſt zwey Drit-
tel der Menſchen vogelfrey würden: ſondern
die verletzte Geiſtes-Majeſtaͤt, die am Leibe
oder Leben ſo beleidigt wird, wie ein Fuͤrſt an
ſeinem beſchimpften naͤchſten Diener, ſoll ge-
raͤcht und behauptet werden. Jeder Despot
taſtet in meinem koͤrperlichen Leben nur mein
geiſtiges an. — Weßwegen ſonſt glaubt der
Beleidiger ſich Genugthuung durch den Zwei-
kampf zu verſchaffen, als weil dieſer die ver-
letzte Geiſter-Gleichheit durch ein gleiches

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[221/0227] Wir wollen auf die Corday zuruͤckkommen, ſagte der Praͤſident; es wirft ſich ſogar uͤber Nothwehr, d. h. den Erkauf meines Lebens durch ein fremdes, die Frage der Rechtmaͤſſig- keit auf. Warum ſoll das meinige ſtets mehr wiegen als das fremde? Ich fuͤr meine Per- ſon koͤnnte deßhalb den groͤßern Vertheidigungs- Muth weniger gegen Angriffe des meinigen als gegen die eines fremden, z. B. meiner Kinder beweiſen, wie eine Mutter nur fuͤr dieſe, nicht fuͤr ſich eine Loͤwin wird.“ Allerdings entſcheiden hier Lebens-Abwaͤ- gungen nicht, ſagt’ ich, weil ſonſt zwey Drit- tel der Menſchen vogelfrey würden: ſondern die verletzte Geiſtes-Majeſtaͤt, die am Leibe oder Leben ſo beleidigt wird, wie ein Fuͤrſt an ſeinem beſchimpften naͤchſten Diener, ſoll ge- raͤcht und behauptet werden. Jeder Despot taſtet in meinem koͤrperlichen Leben nur mein geiſtiges an. — Weßwegen ſonſt glaubt der Beleidiger ſich Genugthuung durch den Zwei- kampf zu verſchaffen, als weil dieſer die ver- letzte Geiſter-Gleichheit durch ein gleiches

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/227>, abgerufen am 22.11.2024.