derasche; je weniger Achtung für andere, desto weniger für sich, und umgekehrt. Darum heißt es: ein Volk heiligen, wenn man es achten lehrt; und darum wärmt die Opfer- flamme auf dem Altar Eines Menschen das Leben ganzer Zeiten aus. Aber nur auf Stein, es sey der Statue oder des Tempels, brennt dieses Feuer. Auf dem bloßen Druckpapier wohnen alle Völker und Zeiten, mit ihrer tod- ten Unsterblichkeit; hingegen das steinerne Denkmal trägt einen Helden aus dem Heer auf den Sonnenthron, der eine Welt aus- wärmt. Auf dem Papiere bewundert nur der Einsame; hingegen vor dem Denkmale wird die bewundernde Menge begeistert, nicht das Licht, sondern die Wärme wächst, unaufhör- lich zurückgeworfen, in menschenvollen Sälen, weil das Gewissen die Herzen ähnlicher macht, als die Anlagen die Köpfe.
Darum könnte das Schauspielhaus -- wel- ches beynahe das einzige Olympia, Forum und Ober- und Unterhaus ist, das uns zu ei- nem Volke für Eine Flamme sammelt und
deraſche; je weniger Achtung fuͤr andere, deſto weniger fuͤr ſich, und umgekehrt. Darum heißt es: ein Volk heiligen, wenn man es achten lehrt; und darum waͤrmt die Opfer- flamme auf dem Altar Eines Menſchen das Leben ganzer Zeiten aus. Aber nur auf Stein, es ſey der Statue oder des Tempels, brennt dieſes Feuer. Auf dem bloßen Druckpapier wohnen alle Voͤlker und Zeiten, mit ihrer tod- ten Unſterblichkeit; hingegen das ſteinerne Denkmal traͤgt einen Helden aus dem Heer auf den Sonnenthron, der eine Welt aus- waͤrmt. Auf dem Papiere bewundert nur der Einſame; hingegen vor dem Denkmale wird die bewundernde Menge begeiſtert, nicht das Licht, ſondern die Waͤrme wächſt, unaufhör- lich zuruͤckgeworfen, in menſchenvollen Saͤlen, weil das Gewiſſen die Herzen ähnlicher macht, als die Anlagen die Köpfe.
Darum könnte das Schauſpielhaus — wel- ches beynahe das einzige Olympia, Forum und Ober- und Unterhaus iſt, das uns zu ei- nem Volke fuͤr Eine Flamme ſammelt und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0195"n="189"/>
deraſche; je weniger Achtung fuͤr andere, deſto<lb/>
weniger fuͤr ſich, und umgekehrt. Darum<lb/>
heißt es: ein Volk heiligen, wenn man es<lb/>
achten lehrt; und darum waͤrmt die Opfer-<lb/>
flamme auf dem Altar Eines Menſchen das<lb/>
Leben ganzer Zeiten aus. Aber nur auf Stein,<lb/>
es ſey der Statue oder des Tempels, brennt<lb/>
dieſes Feuer. Auf dem bloßen Druckpapier<lb/>
wohnen alle Voͤlker und Zeiten, mit ihrer tod-<lb/>
ten Unſterblichkeit; hingegen das ſteinerne<lb/>
Denkmal traͤgt einen Helden aus dem Heer<lb/>
auf den Sonnenthron, der eine Welt aus-<lb/>
waͤrmt. Auf dem Papiere bewundert nur der<lb/>
Einſame; hingegen vor dem Denkmale wird<lb/>
die bewundernde Menge begeiſtert, nicht das<lb/>
Licht, ſondern die Waͤrme wächſt, unaufhör-<lb/>
lich zuruͤckgeworfen, in menſchenvollen Saͤlen,<lb/>
weil das Gewiſſen die Herzen ähnlicher macht,<lb/>
als die Anlagen die Köpfe.</p><lb/><p>Darum könnte das Schauſpielhaus — wel-<lb/>
ches beynahe das einzige Olympia, Forum<lb/>
und Ober- und Unterhaus iſt, das uns zu ei-<lb/>
nem Volke fuͤr Eine Flamme ſammelt und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[189/0195]
deraſche; je weniger Achtung fuͤr andere, deſto
weniger fuͤr ſich, und umgekehrt. Darum
heißt es: ein Volk heiligen, wenn man es
achten lehrt; und darum waͤrmt die Opfer-
flamme auf dem Altar Eines Menſchen das
Leben ganzer Zeiten aus. Aber nur auf Stein,
es ſey der Statue oder des Tempels, brennt
dieſes Feuer. Auf dem bloßen Druckpapier
wohnen alle Voͤlker und Zeiten, mit ihrer tod-
ten Unſterblichkeit; hingegen das ſteinerne
Denkmal traͤgt einen Helden aus dem Heer
auf den Sonnenthron, der eine Welt aus-
waͤrmt. Auf dem Papiere bewundert nur der
Einſame; hingegen vor dem Denkmale wird
die bewundernde Menge begeiſtert, nicht das
Licht, ſondern die Waͤrme wächſt, unaufhör-
lich zuruͤckgeworfen, in menſchenvollen Saͤlen,
weil das Gewiſſen die Herzen ähnlicher macht,
als die Anlagen die Köpfe.
Darum könnte das Schauſpielhaus — wel-
ches beynahe das einzige Olympia, Forum
und Ober- und Unterhaus iſt, das uns zu ei-
nem Volke fuͤr Eine Flamme ſammelt und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/195>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.