Uebergröße der Lebensgröße für ihre Statuen wählten. Wie wenig man ähnlich, oder gar ikonisch abbilden will, sieht man daraus, daß man nicht statt der Bildsäulen, welche durch Nacktheit und Marmorglanz stets größer er- scheinen, lieber verjüngte macht, sondern sich der ähnlichen Zwerg-Statuen bey Fürsten und Großen enthält. Man stelle eine Spiegelstatue, nämlich ein Wachsbild, sogar in idealen Ge- wänderwindeln, in einen Ehrentempel: so ists so viel, als geriethe der lebendige Gegenstand selber als Spatziergänger in seine Vergötte- rungskirche. Nur die Kunst spricht durch ei- nen äußern Menschen den innern aus; darum baue sie das Tabor der Himmelfahrt im Prunk- tempel.
Um desto weniger thue das Denkmal im Feyerkleide der Kunst Wochentagsdienste des Nutzens, z. B. als Schul- oder Waisenhaus; eine Misheyrath der Kunst und des Bedürf- nisses, die man bey den Barbaren und auf dem römischen Marsfelde wieder findet, wo die heiligen Ruinen zu Viehtränken und Wäsch-
Uebergroͤße der Lebensgroͤße fuͤr ihre Statuen waͤhlten. Wie wenig man aͤhnlich, oder gar ikoniſch abbilden will, ſieht man daraus, daß man nicht ſtatt der Bildſaͤulen, welche durch Nacktheit und Marmorglanz ſtets groͤßer er- ſcheinen, lieber verjuͤngte macht, ſondern ſich der aͤhnlichen Zwerg-Statuen bey Fuͤrſten und Großen enthaͤlt. Man ſtelle eine Spiegelſtatue, naͤmlich ein Wachsbild, ſogar in idealen Ge- wänderwindeln, in einen Ehrentempel: ſo iſts ſo viel, als geriethe der lebendige Gegenſtand ſelber als Spatziergaͤnger in ſeine Vergötte- rungskirche. Nur die Kunſt ſpricht durch ei- nen aͤußern Menſchen den innern aus; darum baue ſie das Tabor der Himmelfahrt im Prunk- tempel.
Um deſto weniger thue das Denkmal im Feyerkleide der Kunſt Wochentagsdienſte des Nutzens, z. B. als Schul- oder Waiſenhaus; eine Misheyrath der Kunſt und des Beduͤrf- niſſes, die man bey den Barbaren und auf dem roͤmiſchen Marsfelde wieder findet, wo die heiligen Ruinen zu Viehtraͤnken und Waͤſch-
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Uebergroͤße der Lebensgroͤße fuͤr ihre Statuen
waͤhlten. Wie wenig man aͤhnlich, oder gar
ikoniſch abbilden will, ſieht man daraus, daß
man nicht ſtatt der Bildſaͤulen, welche durch
Nacktheit und Marmorglanz ſtets groͤßer er-
ſcheinen, lieber verjuͤngte macht, ſondern ſich
der aͤhnlichen Zwerg-Statuen bey Fuͤrſten und
Großen enthaͤlt. Man ſtelle eine Spiegelſtatue,
naͤmlich ein Wachsbild, ſogar in idealen Ge-
wänderwindeln, in einen Ehrentempel: ſo iſts
ſo viel, als geriethe der lebendige Gegenſtand
ſelber als Spatziergaͤnger in ſeine Vergötte-
rungskirche. Nur die Kunſt ſpricht durch ei-
nen aͤußern Menſchen den innern aus; darum
baue ſie das Tabor der Himmelfahrt im Prunk-
tempel.
Um deſto weniger thue das Denkmal im
Feyerkleide der Kunſt Wochentagsdienſte des
Nutzens, z. B. als Schul- oder Waiſenhaus;
eine Misheyrath der Kunſt und des Beduͤrf-
niſſes, die man bey den Barbaren und auf
dem roͤmiſchen Marsfelde wieder findet, wo die
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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