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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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sens-Rath machen, und besonders dann, wenn
er wie alle Trinker am Ende anfangen sollte
zu weinen, zu umhalsen, zu verschenken, ja
die größten Geheimnisse auszuplaudern, ihn
warnen und lenken, und Noth-Falls mit Ge-
walt nach Hause ziehen; er geb' ihm Voll-
macht zu jeder Maßregel, mög' er selber be-
trunken dagegen ausschlagen, wie er wolle.

Der Brunnenarzt sagte lächelnd, er ver-
sprech' es für den undenklichen Fall, erwarte
aber denselben Liebes-Dienst, falls er selber
hineingeriethe.

In der That ging bisher der Doktor mit
Anschein genug zu Werke, -- und Strykius
fing an, aus den geleerten Flaschen schöne
Hoffnung Katzenbergerischer Ehrlichkeit zu
schöpfen; doch war es mehr Trug; denn jenen,
der sich längst als einen ehemaligen (wie Pitt
in London) sogenannten Sechs-Flaschen-Mann
gekannt, blieb das schöne Bewußtseyn, daß er
bey allem Trinken nicht aus den Fußstapfen
der Griechen wanke, welche bekanntlich den
Rachegöttinnen nur nüchtern opferten und

ſens-Rath machen, und beſonders dann, wenn
er wie alle Trinker am Ende anfangen ſollte
zu weinen, zu umhalſen, zu verſchenken, ja
die groͤßten Geheimniſſe auszuplaudern, ihn
warnen und lenken, und Noth-Falls mit Ge-
walt nach Hauſe ziehen; er geb’ ihm Voll-
macht zu jeder Maßregel, moͤg’ er ſelber be-
trunken dagegen ausſchlagen, wie er wolle.

Der Brunnenarzt ſagte laͤchelnd, er ver-
ſprech’ es fuͤr den undenklichen Fall, erwarte
aber denſelben Liebes-Dienſt, falls er ſelber
hineingeriethe.

In der That ging bisher der Doktor mit
Anſchein genug zu Werke, — und Strykius
fing an, aus den geleerten Flaſchen ſchoͤne
Hoffnung Katzenbergeriſcher Ehrlichkeit zu
ſchoͤpfen; doch war es mehr Trug; denn jenen,
der ſich laͤngſt als einen ehemaligen (wie Pitt
in London) ſogenannten Sechs-Flaſchen-Mann
gekannt, blieb das ſchoͤne Bewußtſeyn, daß er
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[105/0111] ſens-Rath machen, und beſonders dann, wenn er wie alle Trinker am Ende anfangen ſollte zu weinen, zu umhalſen, zu verſchenken, ja die groͤßten Geheimniſſe auszuplaudern, ihn warnen und lenken, und Noth-Falls mit Ge- walt nach Hauſe ziehen; er geb’ ihm Voll- macht zu jeder Maßregel, moͤg’ er ſelber be- trunken dagegen ausſchlagen, wie er wolle. Der Brunnenarzt ſagte laͤchelnd, er ver- ſprech’ es fuͤr den undenklichen Fall, erwarte aber denſelben Liebes-Dienſt, falls er ſelber hineingeriethe. In der That ging bisher der Doktor mit Anſchein genug zu Werke, — und Strykius fing an, aus den geleerten Flaſchen ſchoͤne Hoffnung Katzenbergeriſcher Ehrlichkeit zu ſchoͤpfen; doch war es mehr Trug; denn jenen, der ſich laͤngſt als einen ehemaligen (wie Pitt in London) ſogenannten Sechs-Flaſchen-Mann gekannt, blieb das ſchoͤne Bewußtſeyn, daß er bey allem Trinken nicht aus den Fußſtapfen der Griechen wanke, welche bekanntlich den Rachegoͤttinnen nur nuͤchtern opferten und

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/111>, abgerufen am 24.11.2024.