die Unterscheidung sehr wohl auf, und zeigte große Lust, nämlich Eßlust; und ließ, um we- niger der Wirthin als seinen Leuten etwas zu schenken, diesen nichts geben, als seine Tafel- reste. Die Wirthin ließ er zusehen, wie er mit derselben Butter, zugleich seine Brodschei- ben und seine Stiefel-Glatzen bestrich, und wie er den Zuckerüberschuß zu sich steckte unter dem Vorwande, er hole aus guten Gründen den Zucker erst hinter dem Kaffee nach im Wagen.
Da das erste, was Nieß an jedem Orte und Oertchen that, war, nachzusehen, was von ihm da gelesen und gehalten wurde: so fand er zu seiner Freude nicht nur im elenden Leih- bücher-Verzeichniß seine Werke, sondern auch in der Wirthsstube einige geliehene wirkliche. Sich gar nicht zu finden, drückt berühmte Män- ner stärker, als sie sagen wollen. Nieß ertheilte seinen Leihwerken aus Liebe für den Wolfgang- ischen Leihbibliothekar auf der Stelle einen unbeschreiblichen Liebhaber-Werth (pretium affectionis) bloß dadurch, daß ers einem Vol-
die Unterſcheidung ſehr wohl auf, und zeigte große Luſt, naͤmlich Eßluſt; und ließ, um we- niger der Wirthin als ſeinen Leuten etwas zu ſchenken, dieſen nichts geben, als ſeine Tafel- reſte. Die Wirthin ließ er zuſehen, wie er mit derſelben Butter, zugleich ſeine Brodſchei- ben und ſeine Stiefel-Glatzen beſtrich, und wie er den Zuckeruͤberſchuß zu ſich ſteckte unter dem Vorwande, er hole aus guten Gruͤnden den Zucker erſt hinter dem Kaffee nach im Wagen.
Da das erſte, was Nieß an jedem Orte und Oertchen that, war, nachzuſehen, was von ihm da geleſen und gehalten wurde: ſo fand er zu ſeiner Freude nicht nur im elenden Leih- buͤcher-Verzeichniß ſeine Werke, ſondern auch in der Wirthsſtube einige geliehene wirkliche. Sich gar nicht zu finden, druͤckt beruͤhmte Maͤn- ner ſtärker, als ſie ſagen wollen. Nieß ertheilte ſeinen Leihwerken aus Liebe fuͤr den Wolfgang- iſchen Leihbibliothekar auf der Stelle einen unbeſchreiblichen Liebhaber-Werth (pretium affectionis) bloß dadurch, daß ers einem Vol-
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die Unterſcheidung ſehr wohl auf, und zeigte
große Luſt, naͤmlich Eßluſt; und ließ, um we-
niger der Wirthin als ſeinen Leuten etwas zu
ſchenken, dieſen nichts geben, als ſeine Tafel-
reſte. Die Wirthin ließ er zuſehen, wie er
mit derſelben Butter, zugleich ſeine Brodſchei-
ben und ſeine Stiefel-Glatzen beſtrich, und
wie er den Zuckeruͤberſchuß zu ſich ſteckte unter
dem Vorwande, er hole aus guten Gruͤnden
den Zucker erſt hinter dem Kaffee nach im
Wagen.
Da das erſte, was Nieß an jedem Orte
und Oertchen that, war, nachzuſehen, was
von ihm da geleſen und gehalten wurde: ſo fand
er zu ſeiner Freude nicht nur im elenden Leih-
buͤcher-Verzeichniß ſeine Werke, ſondern auch
in der Wirthsſtube einige geliehene wirkliche.
Sich gar nicht zu finden, druͤckt beruͤhmte Maͤn-
ner ſtärker, als ſie ſagen wollen. Nieß ertheilte
ſeinen Leihwerken aus Liebe fuͤr den Wolfgang-
iſchen Leihbibliothekar auf der Stelle einen
unbeſchreiblichen Liebhaber-Werth (pretium
affectionis) bloß dadurch, daß ers einem Vol-
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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