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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Freigebigkeit entzweiete mich oft mit dem Pira-
ner Prosektor, sonst mein Herzensfreund, aber
ein geiziger Hund, der Leute en robe courte --
statt an longue robe -- hat, denen er die Röcke
zu kurzen neumodischen Westen (nicht zu altmo-
dischen) einschnurren läßt. Setz' ich seinem Geitze
mein Muster entgegen: so verweiset er mich auf
die anatomischen Tafeln, nach denen unter den
Gegenmuskeln der Hand, der Muskel, der sie
zuschließe, stets viel stärker sey, als der wel-
cher sie aufmacht und zu jenem Muskel ge-
höre noch die Seele, wenn Geld damit zu hal-
ten sey. Daher die Freunde auch die Hände
leichter gegen einander ballen als ausstrecken.
Etwas ist daran."

Als Theoda kam, hatte der Doktor, der im
Vordersitz wartete, daß er durch einen Hüften-
Nachbar fester gepackt würde, den verdrüßlichen
Anblick, daß sich das Paar nach langer Seßions-
Streitigkeit sich ihm gegenüber setzte. Die Toch-
ter that es aus Höflichkeit gegen Nieß, und aus
Liebe gegen ihren Vater, um ihn anzusehen und
seine Wünsche aufzufangen. Zuletzt sagt' er im

Freigebigkeit entzweiete mich oft mit dem Pira-
ner Proſektor, ſonſt mein Herzensfreund, aber
ein geiziger Hund, der Leute en robe courte
ſtatt an longue robe — hat, denen er die Roͤcke
zu kurzen neumodiſchen Weſten (nicht zu altmo-
diſchen) einſchnurren laͤßt. Setz’ ich ſeinem Geitze
mein Muſter entgegen: ſo verweiſet er mich auf
die anatomiſchen Tafeln, nach denen unter den
Gegenmuskeln der Hand, der Muskel, der ſie
zuſchließe, ſtets viel ſtaͤrker ſey, als der wel-
cher ſie aufmacht und zu jenem Muskel ge-
hoͤre noch die Seele, wenn Geld damit zu hal-
ten ſey. Daher die Freunde auch die Hände
leichter gegen einander ballen als ausſtrecken.
Etwas iſt daran.”

Als Theoda kam, hatte der Doktor, der im
Vorderſitz wartete, daß er durch einen Huͤften-
Nachbar feſter gepackt würde, den verdruͤßlichen
Anblick, daß ſich das Paar nach langer Seßions-
Streitigkeit ſich ihm gegenuͤber ſetzte. Die Toch-
ter that es aus Hoͤflichkeit gegen Nieß, und aus
Liebe gegen ihren Vater, um ihn anzuſehen und
ſeine Wuͤnſche aufzufangen. Zuletzt ſagt’ er im

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[31/0049] Freigebigkeit entzweiete mich oft mit dem Pira- ner Proſektor, ſonſt mein Herzensfreund, aber ein geiziger Hund, der Leute en robe courte — ſtatt an longue robe — hat, denen er die Roͤcke zu kurzen neumodiſchen Weſten (nicht zu altmo- diſchen) einſchnurren laͤßt. Setz’ ich ſeinem Geitze mein Muſter entgegen: ſo verweiſet er mich auf die anatomiſchen Tafeln, nach denen unter den Gegenmuskeln der Hand, der Muskel, der ſie zuſchließe, ſtets viel ſtaͤrker ſey, als der wel- cher ſie aufmacht und zu jenem Muskel ge- hoͤre noch die Seele, wenn Geld damit zu hal- ten ſey. Daher die Freunde auch die Hände leichter gegen einander ballen als ausſtrecken. Etwas iſt daran.” Als Theoda kam, hatte der Doktor, der im Vorderſitz wartete, daß er durch einen Huͤften- Nachbar feſter gepackt würde, den verdruͤßlichen Anblick, daß ſich das Paar nach langer Seßions- Streitigkeit ſich ihm gegenuͤber ſetzte. Die Toch- ter that es aus Hoͤflichkeit gegen Nieß, und aus Liebe gegen ihren Vater, um ihn anzuſehen und ſeine Wuͤnſche aufzufangen. Zuletzt ſagt’ er im

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/49>, abgerufen am 22.11.2024.