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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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sucht in der Zukunft zuerst das Geliebte; daher
hört man diese sorgende Frage nach Wiedersehen
zuerst von ihnen. "Was göttlich ist an der Liebe,
das kann nie untergehen, sagt' ich, oder sonst,
da das Irrdische ohnehin vermodert, bliebe gar
Nichts. Aber der altchristliche Ausdruck aus
der Zeitlichkeit in die Ewigkeit, das ist
der rechte; hinter dem Leben gibts keine Zeit,
so wenig wie vor dem Leben; über das andere
Leben lässet sich so wenig etwas darüber hinaus
denken, als über den Urgrund alles Seyns."

Ernst wandte noch schnell ein: "und doch
spreche man von Fortdauer und wolle mit
diesem Zeitpleonasmus alle Zeit vernichten; aber
gesetzt warum wolle man denn vor der Ewig-
keit vorher, für welche Millionen Jahre
nicht mehr wären als achtzig, uns nur letztere,
nicht auch die Millionen zugestehen?" Ich mußte
dieß einräumen und sogar noch fester machen,
indem ich versetzte: "dieß komme denn und Trilli-
onen dahinter; denn so gut der Schöpfer hier
unsere Spiel- und Laufbahn über Eine Erde ge-
hen ließ, so kann er sie noch über tausend Er-

ſucht in der Zukunft zuerſt das Geliebte; daher
hoͤrt man dieſe ſorgende Frage nach Wiederſehen
zuerſt von ihnen. „Was goͤttlich iſt an der Liebe,
das kann nie untergehen, ſagt’ ich, oder ſonſt,
da das Irrdiſche ohnehin vermodert, bliebe gar
Nichts. Aber der altchriſtliche Ausdruck aus
der Zeitlichkeit in die Ewigkeit, das iſt
der rechte; hinter dem Leben gibts keine Zeit,
ſo wenig wie vor dem Leben; uͤber das andere
Leben laͤſſet ſich ſo wenig etwas daruͤber hinaus
denken, als uͤber den Urgrund alles Seyns.”

Ernſt wandte noch ſchnell ein: „und doch
ſpreche man von Fortdauer und wolle mit
dieſem Zeitpleonasmus alle Zeit vernichten; aber
geſetzt warum wolle man denn vor der Ewig-
keit vorher, fuͤr welche Millionen Jahre
nicht mehr waͤren als achtzig, uns nur letztere,
nicht auch die Millionen zugeſtehen?” Ich mußte
dieß einräumen und ſogar noch feſter machen,
indem ich verſetzte: „dieß komme denn und Trilli-
onen dahinter; denn ſo gut der Schöpfer hier
unſere Spiel- und Laufbahn über Eine Erde ge-
hen ließ, ſo kann er ſie noch uͤber tauſend Er-

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[251/0269] ſucht in der Zukunft zuerſt das Geliebte; daher hoͤrt man dieſe ſorgende Frage nach Wiederſehen zuerſt von ihnen. „Was goͤttlich iſt an der Liebe, das kann nie untergehen, ſagt’ ich, oder ſonſt, da das Irrdiſche ohnehin vermodert, bliebe gar Nichts. Aber der altchriſtliche Ausdruck aus der Zeitlichkeit in die Ewigkeit, das iſt der rechte; hinter dem Leben gibts keine Zeit, ſo wenig wie vor dem Leben; uͤber das andere Leben laͤſſet ſich ſo wenig etwas daruͤber hinaus denken, als uͤber den Urgrund alles Seyns.” Ernſt wandte noch ſchnell ein: „und doch ſpreche man von Fortdauer und wolle mit dieſem Zeitpleonasmus alle Zeit vernichten; aber geſetzt warum wolle man denn vor der Ewig- keit vorher, fuͤr welche Millionen Jahre nicht mehr waͤren als achtzig, uns nur letztere, nicht auch die Millionen zugeſtehen?” Ich mußte dieß einräumen und ſogar noch feſter machen, indem ich verſetzte: „dieß komme denn und Trilli- onen dahinter; denn ſo gut der Schöpfer hier unſere Spiel- und Laufbahn über Eine Erde ge- hen ließ, ſo kann er ſie noch uͤber tauſend Er-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/269>, abgerufen am 24.11.2024.