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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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einen leeren Magen, gehörte vom Maststück
auch nichts Besseres. Von den Opferschalen,
welche die Künstler den alten römischen Kaisern,
wie den Dorischen Fries, anbilden und anmah-
len, behauptete ich stets, daß sie nicht das Aus-
gießen
, sondern das Einschöpfen vorstell-
ten: In der Natur fließt zwar von den Bergen
den Thälern fette Erde zu, aber im Staate
mästen besser die Tiefen die Höhen. So ist der
päbstliche Thron zwar ein Hungerthurm, aber
nicht für den Bischof Hatto droben, sondern für
die zappelnden Kirchenmäuse unten, die nicht
hinauf können.

Betrübtes Trauer- und Eßgelag! Du
seufzest unter dem Genuß des Leichenmaals,
womit du das Abscheiden unsers Magen feierst,
und die Bissen treiben dir Thränen aus. Wi-
sche sie ab, setzte deine Trauer darein, daß du in
den Fußtapfen des hingegangenen Gliedes wan-
delst. Ihr wisset, Leidträger, daß ihr im Kir-
chenschiff, eurem Proviantschiff, nicht umsonst
fahret, sondern daß euer Leben ein langes Nach-
tischgebet seyn soll, hingebracht nicht in gelehr-

einen leeren Magen, gehoͤrte vom Maſtſtuͤck
auch nichts Beſſeres. Von den Opferſchalen,
welche die Kuͤnſtler den alten roͤmiſchen Kaiſern,
wie den Doriſchen Fries, anbilden und anmah-
len, behauptete ich ſtets, daß ſie nicht das Aus-
gießen
, ſondern das Einſchoͤpfen vorſtell-
ten: In der Natur fließt zwar von den Bergen
den Thaͤlern fette Erde zu, aber im Staate
mäſten beſſer die Tiefen die Hoͤhen. So iſt der
paͤbſtliche Thron zwar ein Hungerthurm, aber
nicht fuͤr den Biſchof Hatto droben, ſondern fuͤr
die zappelnden Kirchenmaͤuſe unten, die nicht
hinauf koͤnnen.

Betruͤbtes Trauer- und Eßgelag! Du
ſeufzeſt unter dem Genuß des Leichenmaals,
womit du das Abſcheiden unſers Magen feierſt,
und die Biſſen treiben dir Thraͤnen aus. Wi-
ſche ſie ab, ſetzte deine Trauer darein, daß du in
den Fußtapfen des hingegangenen Gliedes wan-
delſt. Ihr wiſſet, Leidtraͤger, daß ihr im Kir-
chenſchiff, eurem Proviantſchiff, nicht umſonſt
fahret, ſondern daß euer Leben ein langes Nach-
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[207/0225] einen leeren Magen, gehoͤrte vom Maſtſtuͤck auch nichts Beſſeres. Von den Opferſchalen, welche die Kuͤnſtler den alten roͤmiſchen Kaiſern, wie den Doriſchen Fries, anbilden und anmah- len, behauptete ich ſtets, daß ſie nicht das Aus- gießen, ſondern das Einſchoͤpfen vorſtell- ten: In der Natur fließt zwar von den Bergen den Thaͤlern fette Erde zu, aber im Staate mäſten beſſer die Tiefen die Hoͤhen. So iſt der paͤbſtliche Thron zwar ein Hungerthurm, aber nicht fuͤr den Biſchof Hatto droben, ſondern fuͤr die zappelnden Kirchenmaͤuſe unten, die nicht hinauf koͤnnen. Betruͤbtes Trauer- und Eßgelag! Du ſeufzeſt unter dem Genuß des Leichenmaals, womit du das Abſcheiden unſers Magen feierſt, und die Biſſen treiben dir Thraͤnen aus. Wi- ſche ſie ab, ſetzte deine Trauer darein, daß du in den Fußtapfen des hingegangenen Gliedes wan- delſt. Ihr wiſſet, Leidtraͤger, daß ihr im Kir- chenſchiff, eurem Proviantſchiff, nicht umſonſt fahret, ſondern daß euer Leben ein langes Nach- tiſchgebet ſeyn ſoll, hingebracht nicht in gelehr-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/225>, abgerufen am 24.11.2024.