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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Eben versprach Theoda seinem Tische sich
und ihren Vater, als dieser eintrat, und
das Nein vorschüttelte und sagte: er habe sich
dem Handwerksgesellen Strykius versprochen,
um das Band der Freundschaft immer enger
zusammen zu ziehen bis zum Ersticken. Das
Mädchen könne aber thun, was es wolle.
Dieß that sie denn auch, und blieb ihrem
Wort, und Nießen getreu. Sie saß näm-
lich, damit ich alles erkläre, an öffentlichen
Orten gern so weit als thunlich, von ihrem
Vater ab, als Tochter und als Mädchen;
sie kannte seine Luthers-Tischreden. Der
Edelmann wendete diese Wendung ganz an-
ders: "o! sie hat schon Recht, die Zarte,
dacht' er; jetzt in Gegenwart eines Fremden,
nämlich des Vaters, verbirgt sie ihre Wärme
weniger; neben dem einsamen Geliebten
scheuet die einsame Liebende jedes Wort zu
sehr, und wartet auf fremde kühlende Nach-
barschaft; o Gott, wie errath' ich dieß so
sehr, und doch leider mich kein Hund!"

Eben verſprach Theoda ſeinem Tiſche ſich
und ihren Vater, als dieſer eintrat, und
das Nein vorſchuͤttelte und ſagte: er habe ſich
dem Handwerksgeſellen Strykius verſprochen,
um das Band der Freundſchaft immer enger
zuſammen zu ziehen bis zum Erſticken. Das
Maͤdchen koͤnne aber thun, was es wolle.
Dieß that ſie denn auch, und blieb ihrem
Wort, und Nießen getreu. Sie ſaß naͤm-
lich, damit ich alles erklaͤre, an oͤffentlichen
Orten gern ſo weit als thunlich, von ihrem
Vater ab, als Tochter und als Mädchen;
ſie kannte ſeine Luthers-Tiſchreden. Der
Edelmann wendete dieſe Wendung ganz an-
ders: „o! ſie hat ſchon Recht, die Zarte,
dacht’ er; jetzt in Gegenwart eines Fremden,
naͤmlich des Vaters, verbirgt ſie ihre Waͤrme
weniger; neben dem einſamen Geliebten
ſcheuet die einſame Liebende jedes Wort zu
ſehr, und wartet auf fremde kuͤhlende Nach-
barſchaft; o Gott, wie errath’ ich dieß ſo
ſehr, und doch leider mich kein Hund!”

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[137/0155] Eben verſprach Theoda ſeinem Tiſche ſich und ihren Vater, als dieſer eintrat, und das Nein vorſchuͤttelte und ſagte: er habe ſich dem Handwerksgeſellen Strykius verſprochen, um das Band der Freundſchaft immer enger zuſammen zu ziehen bis zum Erſticken. Das Maͤdchen koͤnne aber thun, was es wolle. Dieß that ſie denn auch, und blieb ihrem Wort, und Nießen getreu. Sie ſaß naͤm- lich, damit ich alles erklaͤre, an oͤffentlichen Orten gern ſo weit als thunlich, von ihrem Vater ab, als Tochter und als Mädchen; ſie kannte ſeine Luthers-Tiſchreden. Der Edelmann wendete dieſe Wendung ganz an- ders: „o! ſie hat ſchon Recht, die Zarte, dacht’ er; jetzt in Gegenwart eines Fremden, naͤmlich des Vaters, verbirgt ſie ihre Waͤrme weniger; neben dem einſamen Geliebten ſcheuet die einſame Liebende jedes Wort zu ſehr, und wartet auf fremde kuͤhlende Nach- barſchaft; o Gott, wie errath’ ich dieß ſo ſehr, und doch leider mich kein Hund!”

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/155>, abgerufen am 22.11.2024.