Freundschaft der hohe Einsatz war) bis solcher am Hexentage es gewann.
Aber am 4ten Mai soll er alles wieder verlieren denk' ich. Denn Viktor, dessen Herz bei der ge¬ ringsten Bewegung wieder den Verband durchblutete, nahm sich vor, nicht nur am 4ten Mai dem Ge¬ burtstag des Hofkaplans in St. Lüne beizuwohnen, sondern auch einen Geburtstag der erneuerten Freund¬ schaft mit Flamin zu begehen. Er wollte gern den ersten, zweiten, zehnten Schritt thun, wenn nur je¬ ner stehen bliebe und keinen zurück thäte. Denn er kann ihn nicht vergessen, er kann seine Entbehrung nicht verwinden, so leicht ihm sonst die freiwillige war. Er drückt alle Abende Flamins schönes Bild, das gemacht war aus seiner Liebe für ihn, aus sei¬ ner unbestechlichen Rechtschaffenheit, seinem Felsen- Muth, seiner Liebe zum Staat, seinem Talent, so¬ gar aus seinem Aufbrausen, das aus dem doppelten Gefühl des Unrechts und der eignen Unschuld kam, dieses erweichende Bild drückte er an das aufgeris¬ sene Herz und wenn er ihn am Morgen auf das Kollegium gehen sah, so liefen ihm die Augen über und er pries den Bedienten glücklich, der ihm die Akten nachtrug. Wenn der 4te Mai des großen Versöhnungstages mit dem Söhnopfer nicht so nahe wäre: so würde er die kleine Julia an sich angewöh¬ nen müssen als einen dritten Stand zwischen den 2
Hesperus. III. Th. F
Freundſchaft der hohe Einſatz war) bis ſolcher am Hexentage es gewann.
Aber am 4ten Mai ſoll er alles wieder verlieren denk' ich. Denn Viktor, deſſen Herz bei der ge¬ ringſten Bewegung wieder den Verband durchblutete, nahm ſich vor, nicht nur am 4ten Mai dem Ge¬ burtstag des Hofkaplans in St. Luͤne beizuwohnen, ſondern auch einen Geburtstag der erneuerten Freund¬ ſchaft mit Flamin zu begehen. Er wollte gern den erſten, zweiten, zehnten Schritt thun, wenn nur je¬ ner ſtehen bliebe und keinen zuruͤck thaͤte. Denn er kann ihn nicht vergeſſen, er kann ſeine Entbehrung nicht verwinden, ſo leicht ihm ſonſt die freiwillige war. Er druͤckt alle Abende Flamins ſchoͤnes Bild, das gemacht war aus ſeiner Liebe fuͤr ihn, aus ſei¬ ner unbeſtechlichen Rechtſchaffenheit, ſeinem Felſen- Muth, ſeiner Liebe zum Staat, ſeinem Talent, ſo¬ gar aus ſeinem Aufbrauſen, das aus dem doppelten Gefuͤhl des Unrechts und der eignen Unſchuld kam, dieſes erweichende Bild druͤckte er an das aufgeriſ¬ ſene Herz und wenn er ihn am Morgen auf das Kollegium gehen ſah, ſo liefen ihm die Augen uͤber und er pries den Bedienten gluͤcklich, der ihm die Akten nachtrug. Wenn der 4te Mai des großen Versoͤhnungstages mit dem Soͤhnopfer nicht ſo nahe waͤre: ſo wuͤrde er die kleine Julia an ſich angewoͤh¬ nen muͤſſen als einen dritten Stand zwiſchen den 2
Heſperus. III. Th. F
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Freundſchaft der hohe Einſatz war) bis ſolcher am
Hexentage es gewann.
Aber am 4ten Mai ſoll er alles wieder verlieren
denk' ich. Denn Viktor, deſſen Herz bei der ge¬
ringſten Bewegung wieder den Verband durchblutete,
nahm ſich vor, nicht nur am 4ten Mai dem Ge¬
burtstag des Hofkaplans in St. Luͤne beizuwohnen,
ſondern auch einen Geburtstag der erneuerten Freund¬
ſchaft mit Flamin zu begehen. Er wollte gern den
erſten, zweiten, zehnten Schritt thun, wenn nur je¬
ner ſtehen bliebe und keinen zuruͤck thaͤte. Denn er
kann ihn nicht vergeſſen, er kann ſeine Entbehrung
nicht verwinden, ſo leicht ihm ſonſt die freiwillige
war. Er druͤckt alle Abende Flamins ſchoͤnes Bild,
das gemacht war aus ſeiner Liebe fuͤr ihn, aus ſei¬
ner unbeſtechlichen Rechtſchaffenheit, ſeinem Felſen-
Muth, ſeiner Liebe zum Staat, ſeinem Talent, ſo¬
gar aus ſeinem Aufbrauſen, das aus dem doppelten
Gefuͤhl des Unrechts und der eignen Unſchuld kam,
dieſes erweichende Bild druͤckte er an das aufgeriſ¬
ſene Herz und wenn er ihn am Morgen auf das
Kollegium gehen ſah, ſo liefen ihm die Augen uͤber
und er pries den Bedienten gluͤcklich, der ihm die
Akten nachtrug. Wenn der 4te Mai des großen
Versoͤhnungstages mit dem Soͤhnopfer nicht ſo nahe
waͤre: ſo wuͤrde er die kleine Julia an ſich angewoͤh¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/91>, abgerufen am 24.11.2024.
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