Immobiliar-Vermögen als eine kleine angenehme Unart, so wie euch manche Leute lieber einen Wech¬ sel schenken als ein so großes leeres Papier. Die Ursache ist, große Aufopferungen macht der Enthu¬ siasmus, kleine die Vernunft. Flamin, der selber niemals kleine machte, foderte sie vom andern mit Hitze, weil er sie für große nahm. Viktor hatte sich hierüber weniger vorzurücken; aber Klotilde be¬ schämte ihn, deren längste und kürzeste Tage wie bei den meisten ihres Geschlechts lauter Opfertage waren. -- Auch wurde seine natürliche Delikatesse, die jetzt durch sein Hofleben den Zusatz der künstli¬ chen gewonnen hatte, tiefer als sonst von seines Freundes Ecken verletzt. -- Die feinen Leute geben ihrem innern Menschen (wie ihrem äussern) durch Mandelkleien und Nachthandschuhe weiche Hände, blos um das Untere der Karten besser zu fühlen, um niedliche halbe Damen-Ohrfeigen zu geben, aber nicht wie die Wundärzte um damit Wunden hand¬ zuhaben.
Zum Unglück schrieb ihm dieser Wahn der Er¬ kältung ein äusseres freundliches Bestreben vor, Wärme bei Flamin zu zeigen; -- da nun der Regie¬ rungsrath nicht bedachte, daß auch das Gezwung¬ ne eben so oft von Aufrichtigkeit entstehen könne als das Ungezwungne von Falschheit: so hatte der Teufel immer mehr sein Bestia-Spiel (wo eine
Freund¬
Immobiliar-Vermoͤgen als eine kleine angenehme Unart, ſo wie euch manche Leute lieber einen Wech¬ ſel ſchenken als ein ſo großes leeres Papier. Die Urſache iſt, große Aufopferungen macht der Enthu¬ ſiasmus, kleine die Vernunft. Flamin, der ſelber niemals kleine machte, foderte ſie vom andern mit Hitze, weil er ſie fuͤr große nahm. Viktor hatte ſich hieruͤber weniger vorzuruͤcken; aber Klotilde be¬ ſchaͤmte ihn, deren laͤngſte und kuͤrzeſte Tage wie bei den meiſten ihres Geſchlechts lauter Opfertage waren. — Auch wurde ſeine natuͤrliche Delikateſſe, die jetzt durch ſein Hofleben den Zuſatz der kuͤnſtli¬ chen gewonnen hatte, tiefer als ſonst von ſeines Freundes Ecken verletzt. — Die feinen Leute geben ihrem innern Menſchen (wie ihrem aͤuſſern) durch Mandelkleien und Nachthandſchuhe weiche Haͤnde, blos um das Untere der Karten beſſer zu fuͤhlen, um niedliche halbe Damen-Ohrfeigen zu geben, aber nicht wie die Wundaͤrzte um damit Wunden hand¬ zuhaben.
Zum Ungluͤck ſchrieb ihm dieſer Wahn der Er¬ kaͤltung ein aͤuſſeres freundliches Beſtreben vor, Waͤrme bei Flamin zu zeigen; — da nun der Regie¬ rungsrath nicht bedachte, daß auch das Gezwung¬ ne eben ſo oft von Aufrichtigkeit entſtehen koͤnne als das Ungezwungne von Falſchheit: ſo hatte der Teufel immer mehr ſein Beſtia-Spiel (wo eine
Freund¬
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Immobiliar-Vermoͤgen als eine kleine angenehme
Unart, ſo wie euch manche Leute lieber einen Wech¬
ſel ſchenken als ein ſo großes leeres Papier. Die
Urſache iſt, große Aufopferungen macht der Enthu¬
ſiasmus, kleine die Vernunft. Flamin, der ſelber
niemals kleine machte, foderte ſie vom andern mit
Hitze, weil er ſie fuͤr große nahm. Viktor hatte
ſich hieruͤber weniger vorzuruͤcken; aber Klotilde be¬
ſchaͤmte ihn, deren laͤngſte und kuͤrzeſte Tage wie
bei den meiſten ihres Geſchlechts lauter Opfertage
waren. — Auch wurde ſeine natuͤrliche Delikateſſe,
die jetzt durch ſein Hofleben den Zuſatz der kuͤnſtli¬
chen gewonnen hatte, tiefer als ſonst von ſeines
Freundes Ecken verletzt. — Die feinen Leute geben
ihrem innern Menſchen (wie ihrem aͤuſſern) durch
Mandelkleien und Nachthandſchuhe weiche Haͤnde,
blos um das Untere der Karten beſſer zu fuͤhlen,
um niedliche halbe Damen-Ohrfeigen zu geben, aber
nicht wie die Wundaͤrzte um damit Wunden hand¬
zuhaben.
Zum Ungluͤck ſchrieb ihm dieſer Wahn der Er¬
kaͤltung ein aͤuſſeres freundliches Beſtreben vor,
Waͤrme bei Flamin zu zeigen; — da nun der Regie¬
rungsrath nicht bedachte, daß auch das Gezwung¬
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als das Ungezwungne von Falſchheit: ſo hatte der
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/90>, abgerufen am 24.11.2024.
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