Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"Messer, dessen eine Seite vergiftet ist oder beide,
"meinen Jugendfreund unter unsern doppelten
"Schmerzen, von meiner Seele schneidet -- daß er
"seine Minier-Hölen bis an fremde Orte fortführt,
"um mich in allen Stellungen über seinem Pulver
"zu haben." Viktor mußte nämlich nach allem be¬
sorgen, daß die Pfingst-Reise eine Entdeckungsreise
sey, worauf Joachime dem Bruder wie Ritter Mi¬
chaelis den Morgenlandsfahrern, Fragen über die
Uhrbriefsache, über Tostato u. s. w. mitgebe, um
wohl gar beim Fürsten eine Anklage daraus zu bil¬
den. Er hielt das Untere seiner Karte, d. h. seines
tugendhaften Schmerzens so, daß es Matthieu
nicht ganz sehen konnte, um diesem eine boßhafte
Freude
zu entziehen. Dieser, der nicht eine Spi¬
tzenmaske, sondern eine eiserne und noch dazu eine
mit einem Halse trug, hatte oft eine solche Kälte,
daß man seinen wüthigen Zorn nicht begrif und
umgekehrt -- aber jene hatte er im Lager, diesen
in der Akzion gegen den Feind. Wenn ihn jemand
sogleich aufbrachte, war's ein gutes Zeichen und
bedeutete, daß er nichts gegen ihn im Schilde
führe.

Aber nach dem Remarsch des Evangelisten --
den er ungern den Florhut finden lassen, welchen er
überhaupt eingesperret hätte, wäre Flamin öfter ge¬
kommen -- war Viktor vergnügt über einen neuen

»Meſſer, deſſen eine Seite vergiftet iſt oder beide,
»meinen Jugendfreund unter unſern doppelten
»Schmerzen, von meiner Seele ſchneidet — daß er
»ſeine Minier-Hoͤlen bis an fremde Orte fortfuͤhrt,
»um mich in allen Stellungen uͤber ſeinem Pulver
»zu haben.» Viktor mußte naͤmlich nach allem be¬
ſorgen, daß die Pfingſt-Reiſe eine Entdeckungsreiſe
ſey, worauf Joachime dem Bruder wie Ritter Mi¬
chaelis den Morgenlandsfahrern, Fragen uͤber die
Uhrbriefſache, uͤber Toſtato u. ſ. w. mitgebe, um
wohl gar beim Fuͤrſten eine Anklage daraus zu bil¬
den. Er hielt das Untere ſeiner Karte, d. h. ſeines
tugendhaften Schmerzens ſo, daß es Matthieu
nicht ganz ſehen konnte, um dieſem eine boßhafte
Freude
zu entziehen. Dieſer, der nicht eine Spi¬
tzenmaske, ſondern eine eiſerne und noch dazu eine
mit einem Halſe trug, hatte oft eine ſolche Kaͤlte,
daß man ſeinen wuͤthigen Zorn nicht begrif und
umgekehrt — aber jene hatte er im Lager, dieſen
in der Akzion gegen den Feind. Wenn ihn jemand
ſogleich aufbrachte, war's ein gutes Zeichen und
bedeutete, daß er nichts gegen ihn im Schilde
fuͤhre.

Aber nach dem Remarſch des Evangeliſten —
den er ungern den Florhut finden laſſen, welchen er
uͤberhaupt eingeſperret haͤtte, waͤre Flamin oͤfter ge¬
kommen — war Viktor vergnuͤgt uͤber einen neuen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="58"/>
»Me&#x017F;&#x017F;er, de&#x017F;&#x017F;en eine Seite vergiftet i&#x017F;t oder beide,<lb/>
»meinen Jugendfreund unter un&#x017F;ern doppelten<lb/>
»Schmerzen, von meiner Seele &#x017F;chneidet &#x2014; daß er<lb/>
»&#x017F;eine Minier-Ho&#x0364;len bis an fremde Orte fortfu&#x0364;hrt,<lb/>
»<choice><sic>nm</sic><corr>um</corr></choice> mich in allen Stellungen u&#x0364;ber &#x017F;einem Pulver<lb/>
»zu haben.» Viktor mußte na&#x0364;mlich nach allem be¬<lb/>
&#x017F;orgen, daß die Pfing&#x017F;t-Rei&#x017F;e eine Entdeckungsrei&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ey, worauf Joachime dem Bruder wie Ritter Mi¬<lb/>
chaelis den Morgenlandsfahrern, Fragen u&#x0364;ber die<lb/>
Uhrbrief&#x017F;ache, u&#x0364;ber To&#x017F;tato u. &#x017F;. w. mitgebe, um<lb/>
wohl gar beim Fu&#x0364;r&#x017F;ten eine Anklage daraus zu bil¬<lb/>
den. Er hielt das Untere &#x017F;einer Karte, d. h. &#x017F;eines<lb/><hi rendition="#g">tugendhaften Schmerzens</hi> &#x017F;o, daß es Matthieu<lb/>
nicht ganz &#x017F;ehen konnte, um die&#x017F;em eine <hi rendition="#g">boßhafte<lb/>
Freude</hi> zu entziehen. Die&#x017F;er, der nicht eine Spi¬<lb/>
tzenmaske, &#x017F;ondern eine ei&#x017F;erne und noch dazu eine<lb/>
mit einem Hal&#x017F;e trug, hatte oft eine &#x017F;olche Ka&#x0364;lte,<lb/>
daß man &#x017F;einen wu&#x0364;thigen Zorn nicht begrif und<lb/>
umgekehrt &#x2014; aber jene hatte er im Lager, die&#x017F;en<lb/>
in der Akzion gegen den Feind. Wenn ihn jemand<lb/>
&#x017F;ogleich aufbrachte, war's ein gutes Zeichen und<lb/>
bedeutete, daß er nichts gegen ihn im Schilde<lb/>
fu&#x0364;hre.</p><lb/>
          <p>Aber nach dem Remar&#x017F;ch des Evangeli&#x017F;ten &#x2014;<lb/>
den er ungern den Florhut finden la&#x017F;&#x017F;en, welchen er<lb/>
u&#x0364;berhaupt einge&#x017F;perret ha&#x0364;tte, wa&#x0364;re Flamin o&#x0364;fter ge¬<lb/>
kommen &#x2014; war Viktor vergnu&#x0364;gt u&#x0364;ber einen neuen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0068] »Meſſer, deſſen eine Seite vergiftet iſt oder beide, »meinen Jugendfreund unter unſern doppelten »Schmerzen, von meiner Seele ſchneidet — daß er »ſeine Minier-Hoͤlen bis an fremde Orte fortfuͤhrt, »um mich in allen Stellungen uͤber ſeinem Pulver »zu haben.» Viktor mußte naͤmlich nach allem be¬ ſorgen, daß die Pfingſt-Reiſe eine Entdeckungsreiſe ſey, worauf Joachime dem Bruder wie Ritter Mi¬ chaelis den Morgenlandsfahrern, Fragen uͤber die Uhrbriefſache, uͤber Toſtato u. ſ. w. mitgebe, um wohl gar beim Fuͤrſten eine Anklage daraus zu bil¬ den. Er hielt das Untere ſeiner Karte, d. h. ſeines tugendhaften Schmerzens ſo, daß es Matthieu nicht ganz ſehen konnte, um dieſem eine boßhafte Freude zu entziehen. Dieſer, der nicht eine Spi¬ tzenmaske, ſondern eine eiſerne und noch dazu eine mit einem Halſe trug, hatte oft eine ſolche Kaͤlte, daß man ſeinen wuͤthigen Zorn nicht begrif und umgekehrt — aber jene hatte er im Lager, dieſen in der Akzion gegen den Feind. Wenn ihn jemand ſogleich aufbrachte, war's ein gutes Zeichen und bedeutete, daß er nichts gegen ihn im Schilde fuͤhre. Aber nach dem Remarſch des Evangeliſten — den er ungern den Florhut finden laſſen, welchen er uͤberhaupt eingeſperret haͤtte, waͤre Flamin oͤfter ge¬ kommen — war Viktor vergnuͤgt uͤber einen neuen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/68
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/68>, abgerufen am 26.11.2024.