Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

chen Engel (aber auch die weiblichen Teufel) halten
sich nur in den höchsten feinsten Menschen-Schub¬
fächern auf; es sind Schmetterlinge, an denen der
Samt-Fittich zwischen zwei rohen Mannsfingern zum
nackten häutigen Lappen wird -- es sind Tulpen,
deren Farbenblätter ein einziger Griff des Schicksals
zu einem schmutzigen Leder ausdrückt. -- --

Ich bringe das alles vor, damit H. Kozebue und
der Verfasser des Alcibiades und das ganze roman¬
tische Schifsvolk es meiner Klotilde nicht übel neh¬
men, daß sie mehr ihr eignes Geschlecht als das be¬
sagte Volk nachahmt, um so mehr, da sie vorschü¬
tzen kann, sie habe dieses noch nicht gelesen.

Durch Agathen kam sehr bald eine von Emanuel
kouvertirte Antwort Klotildens an, die innen lega¬
zions-mäßig gesiegelt, geometrisch beschnitten und
kallygraphisch geschrieben war, weil Frauenzimmer
alle Dinge, die sinnliche Aufmerksamkeit verlan¬
gen, besser betreiben als wir und weil sie -- denn
kaum vier aus meiner Bekanntschaft brauch' ich aus¬
zunehmen -- gerade im Gegensatz der Männer desto
schöner schreiben, je besser sie denken. Lavater sagt,
der schönste Maler gebiert die schönsten Gemälde;
und ich sage, schöne Hände schreiben eine schöne
Hand.

Klotildens Brief stellet sich mit einer Lusthecke
und einem lebendigen Zaun voll Blüten unserem

D 2

chen Engel (aber auch die weiblichen Teufel) halten
ſich nur in den hoͤchſten feinſten Menſchen-Schub¬
faͤchern auf; es ſind Schmetterlinge, an denen der
Samt–Fittich zwiſchen zwei rohen Mannsfingern zum
nackten haͤutigen Lappen wird — es ſind Tulpen,
deren Farbenblaͤtter ein einziger Griff des Schickſals
zu einem ſchmutzigen Leder ausdruͤckt. — —

Ich bringe das alles vor, damit H. Kozebue und
der Verfaſſer des Alcibiades und das ganze roman¬
tiſche Schifsvolk es meiner Klotilde nicht uͤbel neh¬
men, daß ſie mehr ihr eignes Geſchlecht als das be¬
ſagte Volk nachahmt, um ſo mehr, da ſie vorſchuͤ¬
tzen kann, ſie habe dieſes noch nicht geleſen.

Durch Agathen kam ſehr bald eine von Emanuel
kouvertirte Antwort Klotildens an, die innen lega¬
zions–maͤßig geſiegelt, geometriſch beſchnitten und
kallygraphiſch geſchrieben war, weil Frauenzimmer
alle Dinge, die ſinnliche Aufmerkſamkeit verlan¬
gen, beſſer betreiben als wir und weil ſie — denn
kaum vier aus meiner Bekanntſchaft brauch' ich aus¬
zunehmen — gerade im Gegenſatz der Maͤnner deſto
ſchoͤner ſchreiben, je beſſer ſie denken. Lavater ſagt,
der ſchoͤnſte Maler gebiert die ſchoͤnſten Gemaͤlde;
und ich ſage, ſchoͤne Haͤnde ſchreiben eine ſchoͤne
Hand.

Klotildens Brief ſtellet ſich mit einer Luſthecke
und einem lebendigen Zaun voll Bluͤten unſerem

D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="51"/>
chen Engel (aber auch die weiblichen Teufel) halten<lb/>
&#x017F;ich nur in den ho&#x0364;ch&#x017F;ten fein&#x017F;ten Men&#x017F;chen-Schub¬<lb/>
fa&#x0364;chern auf; es &#x017F;ind Schmetterlinge, an denen der<lb/>
Samt&#x2013;Fittich zwi&#x017F;chen zwei rohen Mannsfingern zum<lb/>
nackten ha&#x0364;utigen Lappen wird &#x2014; es &#x017F;ind Tulpen,<lb/>
deren Farbenbla&#x0364;tter ein einziger Griff des Schick&#x017F;als<lb/>
zu einem &#x017F;chmutzigen Leder ausdru&#x0364;ckt. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich bringe das alles vor, damit H. Kozebue und<lb/>
der Verfa&#x017F;&#x017F;er des Alcibiades und das ganze roman¬<lb/>
ti&#x017F;che Schifsvolk es meiner Klotilde nicht u&#x0364;bel neh¬<lb/>
men, daß &#x017F;ie mehr ihr eignes Ge&#x017F;chlecht als das be¬<lb/>
&#x017F;agte Volk nachahmt, um &#x017F;o mehr, da &#x017F;ie vor&#x017F;chu&#x0364;¬<lb/>
tzen kann, &#x017F;ie habe die&#x017F;es noch nicht gele&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Durch Agathen kam &#x017F;ehr bald eine von Emanuel<lb/>
kouvertirte Antwort Klotildens an, die innen lega¬<lb/>
zions&#x2013;ma&#x0364;ßig ge&#x017F;iegelt, geometri&#x017F;ch be&#x017F;chnitten und<lb/>
kallygraphi&#x017F;ch ge&#x017F;chrieben war, weil Frauenzimmer<lb/>
alle Dinge, die <hi rendition="#g">&#x017F;innliche</hi> Aufmerk&#x017F;amkeit verlan¬<lb/>
gen, be&#x017F;&#x017F;er betreiben als wir und weil &#x017F;ie &#x2014; denn<lb/>
kaum vier aus meiner Bekannt&#x017F;chaft brauch' ich aus¬<lb/>
zunehmen &#x2014; gerade im Gegen&#x017F;atz der Ma&#x0364;nner de&#x017F;to<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ner &#x017F;chreiben, je be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ie denken. Lavater &#x017F;agt,<lb/>
der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Maler gebiert die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Gema&#x0364;lde;<lb/>
und ich &#x017F;age, &#x017F;cho&#x0364;ne Ha&#x0364;nde &#x017F;chreiben eine &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Hand.</p><lb/>
          <p>Klotildens Brief &#x017F;tellet &#x017F;ich mit einer Lu&#x017F;thecke<lb/>
und einem lebendigen Zaun voll Blu&#x0364;ten un&#x017F;erem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0061] chen Engel (aber auch die weiblichen Teufel) halten ſich nur in den hoͤchſten feinſten Menſchen-Schub¬ faͤchern auf; es ſind Schmetterlinge, an denen der Samt–Fittich zwiſchen zwei rohen Mannsfingern zum nackten haͤutigen Lappen wird — es ſind Tulpen, deren Farbenblaͤtter ein einziger Griff des Schickſals zu einem ſchmutzigen Leder ausdruͤckt. — — Ich bringe das alles vor, damit H. Kozebue und der Verfaſſer des Alcibiades und das ganze roman¬ tiſche Schifsvolk es meiner Klotilde nicht uͤbel neh¬ men, daß ſie mehr ihr eignes Geſchlecht als das be¬ ſagte Volk nachahmt, um ſo mehr, da ſie vorſchuͤ¬ tzen kann, ſie habe dieſes noch nicht geleſen. Durch Agathen kam ſehr bald eine von Emanuel kouvertirte Antwort Klotildens an, die innen lega¬ zions–maͤßig geſiegelt, geometriſch beſchnitten und kallygraphiſch geſchrieben war, weil Frauenzimmer alle Dinge, die ſinnliche Aufmerkſamkeit verlan¬ gen, beſſer betreiben als wir und weil ſie — denn kaum vier aus meiner Bekanntſchaft brauch' ich aus¬ zunehmen — gerade im Gegenſatz der Maͤnner deſto ſchoͤner ſchreiben, je beſſer ſie denken. Lavater ſagt, der ſchoͤnſte Maler gebiert die ſchoͤnſten Gemaͤlde; und ich ſage, ſchoͤne Haͤnde ſchreiben eine ſchoͤne Hand. Klotildens Brief ſtellet ſich mit einer Luſthecke und einem lebendigen Zaun voll Bluͤten unſerem D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/61
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/61>, abgerufen am 25.11.2024.