-- Genug! aber seit dieser Bemerkung -- o noch mehr, seit daß das hohe Schicksal mir Freuden gab, damit ich sie verdiente -- ist neues Morgenlicht auf meinen Schattensteig gefallen, und ich habe nun Muth, mich zu bessern. . . . . Der klare Strom der Zeit geht über einen hinabgefallnen Blumenboden schöner Stunden, auf dem ich einmal stand und zu dem ich ganz hinunterschauen kann -- o wenn sich diese Eden-Aue wieder aufwärts hebt und ich kann an deiner Hand, darauf treten und neben dir nieder¬ knieen und dankend bald zum Morgenhimmel bald über die wehenden Blumenfelder dieses Lebens blik¬ ken: dann sink' ich stumm an dich zurück und um¬ fasse dankbar deine Brust und sage: "ach Emanuel, durch dich verdien' ich's ja erst." -- O ich sag' es heute, geliebter Lehrer, und bleibe du recht lange ne¬ ben deinem Schüler auf der Erde, so lange bis er würdig ist, dich zu begleiten aus ihr." --
So lang dieses Schreiben auch war, so liebte Viktor seinen Lehrer doch zu sehr -- und haßte die monarchische Unart, Menschen zu Werkzeugen zu machen, zu sehr -- als daß er's ihm nicht geradezu hätte sagen sollen, daß dieser Brief -- nicht sowohl seine Existenz als -- seinen Geburtstag dem Briefe
— Genug! aber ſeit dieſer Bemerkung — o noch mehr, ſeit daß das hohe Schickſal mir Freuden gab, damit ich ſie verdiente — iſt neues Morgenlicht auf meinen Schattenſteig gefallen, und ich habe nun Muth, mich zu beſſern. . . . . Der klare Strom der Zeit geht uͤber einen hinabgefallnen Blumenboden ſchoͤner Stunden, auf dem ich einmal ſtand und zu dem ich ganz hinunterſchauen kann — o wenn ſich dieſe Eden-Aue wieder aufwaͤrts hebt und ich kann an deiner Hand, darauf treten und neben dir nieder¬ knieen und dankend bald zum Morgenhimmel bald uͤber die wehenden Blumenfelder dieſes Lebens blik¬ ken: dann ſink' ich ſtumm an dich zuruͤck und um¬ faſſe dankbar deine Bruſt und ſage: »ach Emanuel, durch dich verdien' ich's ja erſt.« — O ich ſag' es heute, geliebter Lehrer, und bleibe du recht lange ne¬ ben deinem Schuͤler auf der Erde, ſo lange bis er wuͤrdig iſt, dich zu begleiten aus ihr.« —
So lang dieſes Schreiben auch war, ſo liebte Viktor ſeinen Lehrer doch zu ſehr — und haßte die monarchiſche Unart, Menſchen zu Werkzeugen zu machen, zu ſehr — als daß er's ihm nicht geradezu haͤtte ſagen ſollen, daß dieſer Brief — nicht ſowohl ſeine Exiſtenz als — ſeinen Geburtstag dem Briefe
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— Genug! aber ſeit dieſer Bemerkung — o noch
mehr, ſeit daß das hohe Schickſal mir Freuden gab,
damit ich ſie verdiente — iſt neues Morgenlicht
auf meinen Schattenſteig gefallen, und ich habe nun
Muth, mich zu beſſern. . . . . Der klare Strom der
Zeit geht uͤber einen hinabgefallnen Blumenboden
ſchoͤner Stunden, auf dem ich einmal ſtand und zu
dem ich ganz hinunterſchauen kann — o wenn ſich
dieſe Eden-Aue wieder aufwaͤrts hebt und ich kann
an deiner Hand, darauf treten und neben dir nieder¬
knieen und dankend bald zum Morgenhimmel bald
uͤber die wehenden Blumenfelder dieſes Lebens blik¬
ken: dann ſink' ich ſtumm an dich zuruͤck und um¬
faſſe dankbar deine Bruſt und ſage: »ach Emanuel,
durch dich verdien' ich's ja erſt.« — O ich ſag' es
heute, geliebter Lehrer, und bleibe du recht lange ne¬
ben deinem Schuͤler auf der Erde, ſo lange bis er
wuͤrdig iſt, dich zu begleiten aus ihr.« —
So lang dieſes Schreiben auch war, ſo liebte
Viktor ſeinen Lehrer doch zu ſehr — und haßte die
monarchiſche Unart, Menſchen zu Werkzeugen zu
machen, zu ſehr — als daß er's ihm nicht geradezu
haͤtte ſagen ſollen, daß dieſer Brief — nicht ſowohl
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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