-- Ich seh jetzt Viktor durch die Lauben des Gartens von Lichtern begleitet: ich will nur noch eiligst herwerfen, daß ich in der mit entblättertem Gesträuch vergitterten Sakristei Emanuels sitze. Eile nicht so, Sebastian, der du wegen deiner bisherigen Verwechslungen den drei oder vier Pseudo-Sebastia¬ nen in Portugal gleichst, eile nicht, damit ich nur noch zu meiner Schwester sagen kann: du geliebte Ex-Schwester, dein toller Bruder schreibt sich von, aber du hast nur seine Brust, nicht sein Herz verlo¬ ren. Wenn ich nach Scheerau komme, will ich mich um nichts scheeren und an dir unter dem Umarmen weinen und endlich sagen: es hat nichts auf sich. Mein Geist ist dein Bruder, deine Seele ist meine Schwester, und so verändere dich nicht, verschwister¬ tes Herz.
-- Der gute Viktor geht hastig. Ach Menschen, die der Schmerz oft erkältet hat, haben weder in den körperlichen noch moralischen Bewegungen die langsame Symmetrie des Glücks, so wie Leute, die im Wasser waten, große weite Schritte thun. -- O armer Viktor! warum weinest du jetzt so und kannst dich gar nicht trocknen? . . . .
— Ich ſeh jetzt Viktor durch die Lauben des Gartens von Lichtern begleitet: ich will nur noch eiligſt herwerfen‚ daß ich in der mit entblaͤttertem Geſtraͤuch vergitterten Sakriſtei Emanuels ſitze. Eile nicht ſo‚ Sebaſtian‚ der du wegen deiner bisherigen Verwechslungen den drei oder vier Pſeudo-Sebaſtia¬ nen in Portugal gleichſt‚ eile nicht‚ damit ich nur noch zu meiner Schweſter ſagen kann: du geliebte Ex-Schweſter, dein toller Bruder ſchreibt ſich von, aber du haſt nur ſeine Bruſt, nicht ſein Herz verlo¬ ren. Wenn ich nach Scheerau komme, will ich mich um nichts ſcheeren und an dir unter dem Umarmen weinen und endlich ſagen: es hat nichts auf ſich. Mein Geiſt iſt dein Bruder‚ deine Seele iſt meine Schweſter‚ und ſo veraͤndere dich nicht‚ verſchwiſter¬ tes Herz.
— Der gute Viktor geht haſtig. Ach Menſchen‚ die der Schmerz oft erkaͤltet hat, haben weder in den koͤrperlichen noch moraliſchen Bewegungen die langſame Symmetrie des Gluͤcks, ſo wie Leute, die im Waſſer waten, große weite Schritte thun. — O armer Viktor! warum weineſt du jetzt ſo und kannſt dich gar nicht trocknen? . . . .
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— Ich ſeh jetzt Viktor durch die Lauben des
Gartens von Lichtern begleitet: ich will nur noch
eiligſt herwerfen‚ daß ich in der mit entblaͤttertem
Geſtraͤuch vergitterten Sakriſtei Emanuels ſitze. Eile
nicht ſo‚ Sebaſtian‚ der du wegen deiner bisherigen
Verwechslungen den drei oder vier Pſeudo-Sebaſtia¬
nen in Portugal gleichſt‚ eile nicht‚ damit ich nur
noch zu meiner Schweſter ſagen kann: du geliebte
Ex-Schweſter, dein toller Bruder ſchreibt ſich von,
aber du haſt nur ſeine Bruſt, nicht ſein Herz verlo¬
ren. Wenn ich nach Scheerau komme, will ich mich
um nichts ſcheeren und an dir unter dem Umarmen
weinen und endlich ſagen: es hat nichts auf ſich.
Mein Geiſt iſt dein Bruder‚ deine Seele iſt meine
Schweſter‚ und ſo veraͤndere dich nicht‚ verſchwiſter¬
tes Herz.
— Der gute Viktor geht haſtig. Ach Menſchen‚
die der Schmerz oft erkaͤltet hat, haben weder in
den koͤrperlichen noch moraliſchen Bewegungen die
langſame Symmetrie des Gluͤcks, ſo wie Leute, die
im Waſſer waten, große weite Schritte thun. —
O armer Viktor! warum weineſt du jetzt ſo und
kannſt dich gar nicht trocknen? . . . .
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/449>, abgerufen am 22.11.2024.
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