Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.zur Braut: "nimm hin das Angebinde deines Ge¬ -- O ihr zwei endlich beglückten, neben einan¬ zur Braut: »nimm hin das Angebinde deines Ge¬ — O ihr zwei endlich begluͤckten, neben einan¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0418" n="408"/> zur Braut: »nimm hin das Angebinde deines Ge¬<lb/> »burtstages. Wenige Muͤtter ſind reich genug, ein<lb/> »ſolches zu geben — aber auch wenige Toͤchter ſind<lb/> »gut genug, es zu erhalten.« — Das Brautpaar<lb/> wurde vom Druck der ſchweren Wonne, des großen<lb/> ſtummen Dankes vor ihr niedergedruͤckt auf die Knie<lb/> und theilte ſich in die zwei wohlthaͤtigen Haͤnde der<lb/> Mutter; aber dieſe zog ſie ſanft aus fremden weg<lb/> und legte den Liebenden die ihrigen in einander und<lb/> ſchluͤpfte davon mit dem Laute: »hieher will ich<lb/> »unſre Gaͤſte bringen!« — —</p><lb/> <p>— O ihr zwei endlich begluͤckten, neben einan¬<lb/> der knieenden guten Seelen! wie ungluͤcklich muß<lb/> ein Menſch ſein, der ohne eine Thraͤne der Freude,<lb/> — oder wie gluͤcklich einer, der ohne eine Thraͤne<lb/> der Sehnſucht euch ſehen kann jetzt ſtumm und wei¬<lb/> nend einander in die Arme fallen — nach ſo vielen<lb/> Losreiſſungen endlich verknuͤpft — nach ſo vielen<lb/> Verblutungen endlich geheilt — nach tauſend tau¬<lb/> ſend Seufzern doch endlich begluͤckt — und unaus¬<lb/> ſprechlich begluͤckt durch Herzensunſchuld und durch<lb/> Seelenfrieden und durch Gott! — Nein, ich kann<lb/> heute meine naſſen Augen nicht von euch wenden —<lb/> ich kann heute die andern guten Menſchen nicht an¬<lb/> ſchauen und abzeichnen — ſondern ich lege meine<lb/> Augen mit den <hi rendition="#g">zwei</hi> Thraͤnen, die der Gluͤckliche<lb/> und der Ungluͤckliche hat, feſt und ſanft auf meine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [408/0418]
zur Braut: »nimm hin das Angebinde deines Ge¬
»burtstages. Wenige Muͤtter ſind reich genug, ein
»ſolches zu geben — aber auch wenige Toͤchter ſind
»gut genug, es zu erhalten.« — Das Brautpaar
wurde vom Druck der ſchweren Wonne, des großen
ſtummen Dankes vor ihr niedergedruͤckt auf die Knie
und theilte ſich in die zwei wohlthaͤtigen Haͤnde der
Mutter; aber dieſe zog ſie ſanft aus fremden weg
und legte den Liebenden die ihrigen in einander und
ſchluͤpfte davon mit dem Laute: »hieher will ich
»unſre Gaͤſte bringen!« — —
— O ihr zwei endlich begluͤckten, neben einan¬
der knieenden guten Seelen! wie ungluͤcklich muß
ein Menſch ſein, der ohne eine Thraͤne der Freude,
— oder wie gluͤcklich einer, der ohne eine Thraͤne
der Sehnſucht euch ſehen kann jetzt ſtumm und wei¬
nend einander in die Arme fallen — nach ſo vielen
Losreiſſungen endlich verknuͤpft — nach ſo vielen
Verblutungen endlich geheilt — nach tauſend tau¬
ſend Seufzern doch endlich begluͤckt — und unaus¬
ſprechlich begluͤckt durch Herzensunſchuld und durch
Seelenfrieden und durch Gott! — Nein, ich kann
heute meine naſſen Augen nicht von euch wenden —
ich kann heute die andern guten Menſchen nicht an¬
ſchauen und abzeichnen — ſondern ich lege meine
Augen mit den zwei Thraͤnen, die der Gluͤckliche
und der Ungluͤckliche hat, feſt und ſanft auf meine
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