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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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ter machen -- ein Regent kann also ganzen Län¬
dern auf einmal nützen, wenn er sie zu seufzen nö¬
thigt: -- so schrieb sich Eyman eine bestimmte An¬
zahl Seufzer vor, die er zum Besten seiner Lunge
täglich zu holen hatte.

Denselben Morgen gieng die Lady zur Pfarrerinn,
um ihr zu sagen, daß Flamin ein Unschuldiger, aber
ihr Sohn nicht mehr sei; und Klotilde gieng mit
ihr, um die Hände der zwei Töchter zu nehmen und
ihnen zu sagen, ihr habt einen andern Bruder.
Denn Viktor hatte seine Abkunft noch verhehlt.
"O Gott! (sagte die verarmende Pfarrerinn und
schloß Flamins Mutter und Schwester an die schmach¬
tende Mutterbrust, die mit heißen Seufzerzügen ei¬
nen Sohn begehrte) -- "wo ist denn mein Kind?
"-- Führen Sie mir meinen wahren Sohn zu! --
"Ach ich ahndete es wohl, daß mich das Duell
"doch ein Kind kosten würde! O! er findet alles
"wieder, aber ich büße alles ein. -- O Sie sind
"eine Mutter und ich bin eine Mutter, helfen Sie
"mir!" -- Klotilde schauete sie mit dem weinen¬
den Wunsche des Trostes an; aber die Lady sagte:
"Ihr Sohn lebt und ist auch glücklich, aber mehr
"kann ich nicht sagen."

Und denselben Morgen war dieser Sohn, unser
Viktor, nicht glücklich. Ihm war, bei dem Ge¬
rüchte von Flamins Loskettung, und von Mat¬

ter machen — ein Regent kann alſo ganzen Laͤn¬
dern auf einmal nuͤtzen, wenn er ſie zu ſeufzen noͤ¬
thigt: — ſo ſchrieb ſich Eyman eine beſtimmte An¬
zahl Seufzer vor, die er zum Beſten ſeiner Lunge
taͤglich zu holen hatte.

Denſelben Morgen gieng die Lady zur Pfarrerinn,
um ihr zu ſagen, daß Flamin ein Unſchuldiger, aber
ihr Sohn nicht mehr ſei; und Klotilde gieng mit
ihr, um die Haͤnde der zwei Toͤchter zu nehmen und
ihnen zu ſagen, ihr habt einen andern Bruder.
Denn Viktor hatte ſeine Abkunft noch verhehlt.
»O Gott! (ſagte die verarmende Pfarrerinn und
ſchloß Flamins Mutter und Schweſter an die ſchmach¬
tende Mutterbruſt, die mit heißen Seufzerzuͤgen ei¬
nen Sohn begehrte) — »wo iſt denn mein Kind?
»— Fuͤhren Sie mir meinen wahren Sohn zu! —
»Ach ich ahndete es wohl, daß mich das Duell
»doch ein Kind koſten wuͤrde! O! er findet alles
»wieder, aber ich buͤße alles ein. — O Sie ſind
»eine Mutter und ich bin eine Mutter, helfen Sie
»mir!« — Klotilde ſchauete ſie mit dem weinen¬
den Wunſche des Troſtes an; aber die Lady ſagte:
»Ihr Sohn lebt und iſt auch gluͤcklich, aber mehr
»kann ich nicht ſagen.«

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Viktor, nicht gluͤcklich. Ihm war, bei dem Ge¬
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[394/0404] ter machen — ein Regent kann alſo ganzen Laͤn¬ dern auf einmal nuͤtzen, wenn er ſie zu ſeufzen noͤ¬ thigt: — ſo ſchrieb ſich Eyman eine beſtimmte An¬ zahl Seufzer vor, die er zum Beſten ſeiner Lunge taͤglich zu holen hatte. Denſelben Morgen gieng die Lady zur Pfarrerinn, um ihr zu ſagen, daß Flamin ein Unſchuldiger, aber ihr Sohn nicht mehr ſei; und Klotilde gieng mit ihr, um die Haͤnde der zwei Toͤchter zu nehmen und ihnen zu ſagen, ihr habt einen andern Bruder. Denn Viktor hatte ſeine Abkunft noch verhehlt. »O Gott! (ſagte die verarmende Pfarrerinn und ſchloß Flamins Mutter und Schweſter an die ſchmach¬ tende Mutterbruſt, die mit heißen Seufzerzuͤgen ei¬ nen Sohn begehrte) — »wo iſt denn mein Kind? »— Fuͤhren Sie mir meinen wahren Sohn zu! — »Ach ich ahndete es wohl, daß mich das Duell »doch ein Kind koſten wuͤrde! O! er findet alles »wieder, aber ich buͤße alles ein. — O Sie ſind »eine Mutter und ich bin eine Mutter, helfen Sie »mir!« — Klotilde ſchauete ſie mit dem weinen¬ den Wunſche des Troſtes an; aber die Lady ſagte: »Ihr Sohn lebt und iſt auch gluͤcklich, aber mehr »kann ich nicht ſagen.« Und denſelben Morgen war dieſer Sohn, unſer Viktor, nicht gluͤcklich. Ihm war, bei dem Ge¬ ruͤchte von Flamins Loskettung, und von Mat¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/404>, abgerufen am 22.11.2024.