"Schuldige kann nicht für den Schuldigen bitten." -- "Gnädigster Herr -- sagte Maz, der ihn in "Furcht und Harnisch zugleich zu jagen suchte -- zu "jeder andern Zeit als in der unsrigen würd' es "eben so sträflich seyn, gewisse Dinge zu errathen "oder zu weissagen als sie zu beschließen -- in der "unsrigen sind diese drei Dinge leichter. Auf den "Tag, wo der Regierungsrath sein Leben verlieren "sollte, ist ein Plan berechnet, den einige zur Erhal¬ "tung des seinigen auf Kosten des ihrigen gemacht "haben." -- Der Fürst -- entrüstet über die Kühnheit, die sonst nicht in der Bouger'schen Schneelinie der Höfe, sondern nur in der demo¬ kratischen Aequatorlinie wohnt -- sagte mit dem Todesurthel, das Maz längst in sein Gesicht hinein haben wollte: "Ich werde Ihnen morgen die Nah¬ "men der Elenden abfodern lassen, die ihr Leben "Preis geben wollen, um die Gerechtigkeit zu stö¬ "ren" . . . . . Hier fiel dieser vor ihm nieder und sagte schnell: "mein Name ist der erste -- jetzt "ists meine Pflicht, unglücklich zu werden -- mein "Freund hat niemanden getödtet, sondern ich -- er "ist nicht der Sohn eines Priesters, sondern der "erstgeborne Sohn des getödteten H. le Baut" . . .
So lang' es noch Pfeilerspiegel gab, so sah nie ein so bestürztes auseinandergefahrnes Gesicht aus
»Schuldige kann nicht fuͤr den Schuldigen bitten.» — »Gnaͤdigſter Herr — ſagte Maz, der ihn in »Furcht und Harniſch zugleich zu jagen ſuchte — zu »jeder andern Zeit als in der unſrigen wuͤrd' es »eben ſo ſtraͤflich ſeyn, gewiſſe Dinge zu errathen »oder zu weiſſagen als ſie zu beſchließen — in der »unſrigen ſind dieſe drei Dinge leichter. Auf den »Tag, wo der Regierungsrath ſein Leben verlieren »ſollte, iſt ein Plan berechnet, den einige zur Erhal¬ »tung des ſeinigen auf Koſten des ihrigen gemacht »haben.» — Der Fuͤrſt — entruͤſtet uͤber die Kuͤhnheit, die ſonſt nicht in der Bouger'ſchen Schneelinie der Hoͤfe, ſondern nur in der demo¬ kratiſchen Aequatorlinie wohnt — ſagte mit dem Todesurthel, das Maz laͤngſt in ſein Geſicht hinein haben wollte: »Ich werde Ihnen morgen die Nah¬ »men der Elenden abfodern laſſen, die ihr Leben »Preis geben wollen, um die Gerechtigkeit zu ſtoͤ¬ »ren» . . . . . Hier fiel dieſer vor ihm nieder und ſagte ſchnell: »mein Name iſt der erſte — jetzt »iſts meine Pflicht, ungluͤcklich zu werden — mein »Freund hat niemanden getoͤdtet, ſondern ich — er »iſt nicht der Sohn eines Prieſters, ſondern der »erſtgeborne Sohn des getoͤdteten H. le Baut» . . .
So lang' es noch Pfeilerſpiegel gab, ſo ſah nie ein ſo beſtuͤrztes auseinandergefahrnes Geſicht aus
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»Schuldige kann nicht fuͤr den Schuldigen bitten.»
— »Gnaͤdigſter Herr — ſagte Maz, der ihn in
»Furcht und Harniſch zugleich zu jagen ſuchte — zu
»jeder andern Zeit als in der unſrigen wuͤrd' es
»eben ſo ſtraͤflich ſeyn, gewiſſe Dinge zu errathen
»oder zu weiſſagen als ſie zu beſchließen — in der
»unſrigen ſind dieſe drei Dinge leichter. Auf den
»Tag, wo der Regierungsrath ſein Leben verlieren
»ſollte, iſt ein Plan berechnet, den einige zur Erhal¬
»tung des ſeinigen auf Koſten des ihrigen gemacht
»haben.» — Der Fuͤrſt — entruͤſtet uͤber die
Kuͤhnheit, die ſonſt nicht in der Bouger'ſchen
Schneelinie der Hoͤfe, ſondern nur in der demo¬
kratiſchen Aequatorlinie wohnt — ſagte mit dem
Todesurthel, das Maz laͤngſt in ſein Geſicht hinein
haben wollte: »Ich werde Ihnen morgen die Nah¬
»men der Elenden abfodern laſſen, die ihr Leben
»Preis geben wollen, um die Gerechtigkeit zu ſtoͤ¬
»ren» . . . . . Hier fiel dieſer vor ihm nieder
und ſagte ſchnell: »mein Name iſt der erſte — jetzt
»iſts meine Pflicht, ungluͤcklich zu werden — mein
»Freund hat niemanden getoͤdtet, ſondern ich — er
»iſt nicht der Sohn eines Prieſters, ſondern der
»erſtgeborne Sohn des getoͤdteten H. le Baut» . . .
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/385>, abgerufen am 23.11.2024.
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