man nie sein Ebenbild bewundert. -- In meiner Jugend gab ich in einem Trauerspiel dem Helden alle jene Grundsätze und ließ ihn kurz vorher, eh' er sich den Dolch ins Herz trieb, noch sagen: "aber "vielleicht ist der Tod erhaben: denn ich fass' ihn "nicht. Und so will ich denn die Blutbögen, die "aus dem Herzen aufspringen und so spielend das "Menschenhaupt und Menschen-Ich in der Höhe er¬ "halten wie ein Springbrunnen die darauf gelegte "Hohlkugel schwebend trägt, diese Fontaine will ich "mit dem Dolche ableiten, damit das Ich nieder¬ "falle" -- Ich schauderte damals über diesen Karakter: aber ich dachte nachher über ihn nach und es wurde mein eigner!" --
Fürchterlicher Mensch! Dein Blut-Strahl und das Ich darüber ist vielleicht schon umgefallen, oder bricht bald darnieder -- Und eben diese schwarze Weissagung ist auch im Herzen Klotildens und Viktors. -- -- O möchtest du, anderer gebück¬ ter Mann, den ich hier vor dem Publikum nicht nennen darf, es errathen, daß ich dich meine, daß du eben so wie der unglückliche Lord dein eignes Ich abfrissest gleich blutsaugenden Leichen, und daß du in der Sternennacht des Lebens noch einen eignen tödtlichen Nebel um dich trägst! O der
Anblick
man nie ſein Ebenbild bewundert. — In meiner Jugend gab ich in einem Trauerſpiel dem Helden alle jene Grundſaͤtze und ließ ihn kurz vorher, eh' er ſich den Dolch ins Herz trieb, noch ſagen: »aber »vielleicht iſt der Tod erhaben: denn ich faſſ' ihn »nicht. Und ſo will ich denn die Blutboͤgen, die »aus dem Herzen aufſpringen und ſo ſpielend das »Menſchenhaupt und Menſchen-Ich in der Hoͤhe er¬ »halten wie ein Springbrunnen die darauf gelegte »Hohlkugel ſchwebend traͤgt, dieſe Fontaine will ich »mit dem Dolche ableiten, damit das Ich nieder¬ »falle» — Ich ſchauderte damals uͤber dieſen Karakter: aber ich dachte nachher uͤber ihn nach und es wurde mein eigner!» —
Fuͤrchterlicher Menſch! Dein Blut-Strahl und das Ich daruͤber iſt vielleicht ſchon umgefallen, oder bricht bald darnieder — Und eben dieſe ſchwarze Weiſſagung iſt auch im Herzen Klotildens und Viktors. — — O moͤchteſt du, anderer gebuͤck¬ ter Mann, den ich hier vor dem Publikum nicht nennen darf, es errathen, daß ich dich meine, daß du eben ſo wie der ungluͤckliche Lord dein eignes Ich abfriſſeſt gleich blutſaugenden Leichen, und daß du in der Sternennacht des Lebens noch einen eignen toͤdtlichen Nebel um dich traͤgſt! O der
Anblick
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man nie ſein Ebenbild bewundert. — In meiner
Jugend gab ich in einem Trauerſpiel dem Helden
alle jene Grundſaͤtze und ließ ihn kurz vorher, eh'
er ſich den Dolch ins Herz trieb, noch ſagen: »aber
»vielleicht iſt der Tod erhaben: denn ich faſſ' ihn
»nicht. Und ſo will ich denn die Blutboͤgen, die
»aus dem Herzen aufſpringen und ſo ſpielend das
»Menſchenhaupt und Menſchen-Ich in der Hoͤhe er¬
»halten wie ein Springbrunnen die darauf gelegte
»Hohlkugel ſchwebend traͤgt, dieſe Fontaine will ich
»mit dem Dolche ableiten, damit das Ich nieder¬
»falle» — Ich ſchauderte damals uͤber dieſen
Karakter: aber ich dachte nachher uͤber ihn nach
und es wurde mein eigner!» —
Fuͤrchterlicher Menſch! Dein Blut-Strahl und
das Ich daruͤber iſt vielleicht ſchon umgefallen,
oder bricht bald darnieder — Und eben dieſe
ſchwarze Weiſſagung iſt auch im Herzen Klotildens
und Viktors. — — O moͤchteſt du, anderer gebuͤck¬
ter Mann, den ich hier vor dem Publikum nicht
nennen darf, es errathen, daß ich dich meine, daß
du eben ſo wie der ungluͤckliche Lord dein eignes
Ich abfriſſeſt gleich blutſaugenden Leichen, und daß
du in der Sternennacht des Lebens noch einen
eignen toͤdtlichen Nebel um dich traͤgſt! O der
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/362>, abgerufen am 23.11.2024.
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