mir es wol nur ein: denn wenn ich da das gesam¬ melte Spielzeug dieser guten Kinder, ihre Exerzi¬ zienbücher und ihre engen Kleider anschaue; wenn ich mich unter drei an einander gesäete Kirschbäume setze, die sie scherzend in dem zu engen Kindergarten eingelegt hatten; und wenn ich dann denke, auf die¬ ser Bühne zogen sie ihre Herzen für ein glücklicheres Leben groß als sie gewonnen, für eine höhere Tu¬ gend als die Verhältnisse zugelassen, und für bessere Menschen als sie gefunden haben: dann werd' ich sehr betrübt, und dann ist mir als müst' ich weinen und dürft' ich sagen: auch ich bin in England ge¬ boren und wurde in Maienthal erzogen.
Ach ich kann mein Herz nicht verbergen, wenn ich den Namen dieser großen Seele schreibe -- Er war hier oft auf einem Berge, wo eine auseinander¬ gefallene Kirche liegt, und wo er auf eine noch nicht umgeworfene Säule stieg, um sein Auge zu den Sternen zu erheben, wo er nun wohnt -- Ich wollte Ihnen jetzt das schreiben, was mir meine Mutter von seinem Abschied erzählte: aber les thut mir zu wehe und ich werd es Ihnen mündlich sagen. Ich besuche diesen Berg sehr oft, weil man in die ganze Ebene nach Osten hinuntersehen kann: hier hängt noch der alte Baum mit seinen Wurzeln und Zweigen in den Steinbruch hinunter, der voll zer¬ stückter Tempelsäulen liegt; Emanuel nahm oft
mir es wol nur ein: denn wenn ich da das geſam¬ melte Spielzeug dieſer guten Kinder, ihre Exerzi¬ zienbuͤcher und ihre engen Kleider anſchaue; wenn ich mich unter drei an einander geſaͤete Kirſchbaͤume ſetze, die ſie ſcherzend in dem zu engen Kindergarten eingelegt hatten; und wenn ich dann denke, auf die¬ ſer Buͤhne zogen ſie ihre Herzen fuͤr ein gluͤcklicheres Leben groß als ſie gewonnen, fuͤr eine hoͤhere Tu¬ gend als die Verhaͤltniſſe zugelaſſen, und fuͤr beſſere Menſchen als ſie gefunden haben: dann werd' ich ſehr betruͤbt, und dann iſt mir als muͤſt' ich weinen und duͤrft' ich ſagen: auch ich bin in England ge¬ boren und wurde in Maienthal erzogen.
Ach ich kann mein Herz nicht verbergen, wenn ich den Namen dieſer großen Seele ſchreibe — Er war hier oft auf einem Berge, wo eine auseinander¬ gefallene Kirche liegt, und wo er auf eine noch nicht umgeworfene Saͤule ſtieg, um ſein Auge zu den Sternen zu erheben, wo er nun wohnt — Ich wollte Ihnen jetzt das ſchreiben, was mir meine Mutter von ſeinem Abſchied erzaͤhlte: aber les thut mir zu wehe und ich werd es Ihnen muͤndlich ſagen. Ich beſuche dieſen Berg ſehr oft, weil man in die ganze Ebene nach Oſten hinunterſehen kann: hier haͤngt noch der alte Baum mit ſeinen Wurzeln und Zweigen in den Steinbruch hinunter, der voll zer¬ ſtuͤckter Tempelſaͤulen liegt; Emanuel nahm oft
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mir es wol nur ein: denn wenn ich da das geſam¬
melte Spielzeug dieſer guten Kinder, ihre Exerzi¬
zienbuͤcher und ihre engen Kleider anſchaue; wenn ich
mich unter drei an einander geſaͤete Kirſchbaͤume
ſetze, die ſie ſcherzend in dem zu engen Kindergarten
eingelegt hatten; und wenn ich dann denke, auf die¬
ſer Buͤhne zogen ſie ihre Herzen fuͤr ein gluͤcklicheres
Leben groß als ſie gewonnen, fuͤr eine hoͤhere Tu¬
gend als die Verhaͤltniſſe zugelaſſen, und fuͤr beſſere
Menſchen als ſie gefunden haben: dann werd' ich
ſehr betruͤbt, und dann iſt mir als muͤſt' ich weinen
und duͤrft' ich ſagen: auch ich bin in England ge¬
boren und wurde in Maienthal erzogen.
Ach ich kann mein Herz nicht verbergen, wenn
ich den Namen dieſer großen Seele ſchreibe — Er
war hier oft auf einem Berge, wo eine auseinander¬
gefallene Kirche liegt, und wo er auf eine noch nicht
umgeworfene Saͤule ſtieg, um ſein Auge zu den
Sternen zu erheben, wo er nun wohnt — Ich
wollte Ihnen jetzt das ſchreiben, was mir meine
Mutter von ſeinem Abſchied erzaͤhlte: aber les thut
mir zu wehe und ich werd es Ihnen muͤndlich ſagen.
Ich beſuche dieſen Berg ſehr oft, weil man in die
ganze Ebene nach Oſten hinunterſehen kann: hier
haͤngt noch der alte Baum mit ſeinen Wurzeln und
Zweigen in den Steinbruch hinunter, der voll zer¬
ſtuͤckter Tempelſaͤulen liegt; Emanuel nahm oft
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/358>, abgerufen am 23.11.2024.
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