seinem Herzen eine kleine Frostbeule durch den Ge¬ danken an, daß der Lord, nach der Unart aller Staatsleute und Staatsmaschinenmeister, die Men¬ schen zu handhaben nur wie Körper, nicht wie Gei¬ ster, nur wie Karyatiden, nicht wie Miethleute des Staatsgebäudes, kurz blos wie Tänzerinnen von Golkonda *) die sich zum Lastvieh eines einzigen Rei¬ ters mit ihren Gliedern zusammenschlingen und ver¬ schränken -- daß der Lord, sag' ich, diese sonst er¬ habene Seele, auch seinen Viktor zu sehr zum Ar¬ beitszeuge seiner Tugend verbrauchet hatte. Aber er vergabs dem Mann, dem er doch nichts vorzu¬ werfen hatte, als daß er nur die Gütigkeiten eines Vaters gehabt, ohne die Rechte desselben.
Da Viktor niemand den Hof mehr machte: so wollte natürlich der Apotheker ihm auch keinen mehr machen. Jener lächelte dazu und dachte: "so sollte "jeder gute Hofman handeln, und wie ein geschick¬ "ter Fährmann in seinem Boote, allemal die Seite "verlassen, die sinkt, und auf die andere übertre¬ "ten." Zeusel trat über zum begünstigten Brunnen¬ doktor Kuhlpepper, dessen Einsichten man die Hei¬ lung Jenners zuschrieb, die vom Sommer herkam, und er legte sich hin, um mit seiner kleinen Schlangen¬
*) Neun Tänzerinnen verstricken sich zu einem Elephanten für den König, eine macht den Rüssel, viere die Beine, viere den Rumpf. Historie aller Reis. 10. Band.
ſeinem Herzen eine kleine Froſtbeule durch den Ge¬ danken an, daß der Lord, nach der Unart aller Staatsleute und Staatsmaſchinenmeiſter, die Men¬ ſchen zu handhaben nur wie Koͤrper, nicht wie Gei¬ ſter, nur wie Karyatiden, nicht wie Miethleute des Staatsgebaͤudes, kurz blos wie Taͤnzerinnen von Golkonda *) die ſich zum Laſtvieh eines einzigen Rei¬ ters mit ihren Gliedern zuſammenſchlingen und ver¬ ſchraͤnken — daß der Lord, ſag' ich, dieſe ſonſt er¬ habene Seele, auch ſeinen Viktor zu ſehr zum Ar¬ beitszeuge ſeiner Tugend verbrauchet hatte. Aber er vergabs dem Mann, dem er doch nichts vorzu¬ werfen hatte, als daß er nur die Guͤtigkeiten eines Vaters gehabt, ohne die Rechte deſſelben.
Da Viktor niemand den Hof mehr machte: ſo wollte natuͤrlich der Apotheker ihm auch keinen mehr machen. Jener laͤchelte dazu und dachte: »ſo ſollte »jeder gute Hofman handeln, und wie ein geſchick¬ »ter Faͤhrmann in ſeinem Boote, allemal die Seite »verlaſſen, die ſinkt, und auf die andere uͤbertre¬ »ten.» Zeuſel trat uͤber zum beguͤnſtigten Brunnen¬ doktor Kuhlpepper, deſſen Einſichten man die Hei¬ lung Jenners zuſchrieb, die vom Sommer herkam, und er legte ſich hin, um mit ſeiner kleinen Schlangen¬
*) Neun Tänzerinnen verſtricken ſich zu einem Elephanten für den König, eine macht den Rüſſel, viere die Beine, viere den Rumpf. Hiſtorie aller Reiſ. 10. Band.
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danken an, daß der Lord, nach der Unart aller
Staatsleute und Staatsmaſchinenmeiſter, die Men¬
ſchen zu handhaben nur wie Koͤrper, nicht wie Gei¬
ſter, nur wie Karyatiden, nicht wie Miethleute
des Staatsgebaͤudes, kurz blos wie Taͤnzerinnen von
Golkonda *) die ſich zum Laſtvieh eines einzigen Rei¬
ters mit ihren Gliedern zuſammenſchlingen und ver¬
ſchraͤnken — daß der Lord, ſag' ich, dieſe ſonſt er¬
habene Seele, auch ſeinen Viktor zu ſehr zum Ar¬
beitszeuge ſeiner Tugend verbrauchet hatte. Aber
er vergabs dem Mann, dem er doch nichts vorzu¬
werfen hatte, als daß er nur die Guͤtigkeiten eines
Vaters gehabt, ohne die Rechte deſſelben.
Da Viktor niemand den Hof mehr machte: ſo
wollte natuͤrlich der Apotheker ihm auch keinen mehr
machen. Jener laͤchelte dazu und dachte: »ſo ſollte
»jeder gute Hofman handeln, und wie ein geſchick¬
»ter Faͤhrmann in ſeinem Boote, allemal die Seite
»verlaſſen, die ſinkt, und auf die andere uͤbertre¬
»ten.» Zeuſel trat uͤber zum beguͤnſtigten Brunnen¬
doktor Kuhlpepper, deſſen Einſichten man die Hei¬
lung Jenners zuſchrieb, die vom Sommer herkam, und
er legte ſich hin, um mit ſeiner kleinen Schlangen¬
*) Neun Tänzerinnen verſtricken ſich zu einem Elephanten
für den König, eine macht den Rüſſel, viere die Beine,
viere den Rumpf. Hiſtorie aller Reiſ. 10. Band.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/344>, abgerufen am 23.11.2024.
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