Die erhabene Vormitternacht -- Die seelige Nachmitternacht -- Der sanfte Abend.
Heute übergeb' ich Emanuels längsten Tag, der nun erloschen und abgekühlt unter den Tagen der Ewig¬ keit liegt, mit bleichen Abrissen den Phantasien der Menschen. Meine Hand zittert und mein Auge brennt vor den Szenen, die jetzt in Leichenschleiern um mich treten und so nahe an mir die Schleier aufheben. -- -- Ich schließe mich heut Nacht ein -- ich höre nichts als meine Gedanken -- ich sehe nichts als die Nachtsonnen, die über den Himmel ziehen -- ich vergesse die Schwächen und die Fle¬ cken meines Herzens, damit ich den Muth erhalte, mich zu erheben als wär' ich gut, als wohnt' ich auf der Höhe, wo um den großen Menschen wie Sternbilder nichts als Gott, Ewigkeit und Tugend liegen. Aber ich sage zu denen, die besser sind -- zum stillen großen Herzen, das seine Pflichten ver¬ mehrt, indem es sie erfüllt und das sich beim Wachsthum seines Gewissens täglich blos mit größern Verdiensten befriedigt -- zu den hohen
Menschen,
38. Hundspoſttag.
Die erhabene Vormitternacht — Die ſeelige Nachmitternacht — Der ſanfte Abend.
Heute uͤbergeb' ich Emanuels laͤngſten Tag, der nun erloſchen und abgekuͤhlt unter den Tagen der Ewig¬ keit liegt, mit bleichen Abriſſen den Phantaſien der Menſchen. Meine Hand zittert und mein Auge brennt vor den Szenen, die jetzt in Leichenſchleiern um mich treten und ſo nahe an mir die Schleier aufheben. — — Ich ſchließe mich heut Nacht ein — ich hoͤre nichts als meine Gedanken — ich ſehe nichts als die Nachtſonnen, die uͤber den Himmel ziehen — ich vergeſſe die Schwaͤchen und die Fle¬ cken meines Herzens, damit ich den Muth erhalte, mich zu erheben als waͤr' ich gut, als wohnt' ich auf der Hoͤhe, wo um den großen Menſchen wie Sternbilder nichts als Gott, Ewigkeit und Tugend liegen. Aber ich ſage zu denen, die beſſer ſind — zum ſtillen großen Herzen, das ſeine Pflichten ver¬ mehrt, indem es ſie erfuͤllt und das ſich beim Wachsthum ſeines Gewiſſens taͤglich blos mit groͤßern Verdienſten befriedigt — zu den hohen
Menſchen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0266"n="256"/></div><divn="2"><head>38. Hundspoſttag.<lb/></head><argument><prendition="#c">Die erhabene Vormitternacht — Die ſeelige Nachmitternacht —<lb/>
Der ſanfte Abend.</p></argument><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">H</hi>eute uͤbergeb' ich Emanuels laͤngſten Tag, der nun<lb/>
erloſchen und abgekuͤhlt unter den Tagen der Ewig¬<lb/>
keit liegt, mit bleichen Abriſſen den Phantaſien der<lb/>
Menſchen. Meine Hand zittert und mein Auge<lb/>
brennt vor den Szenen, die jetzt in Leichenſchleiern<lb/>
um mich treten und ſo nahe an mir die Schleier<lb/>
aufheben. —— Ich ſchließe mich heut Nacht ein<lb/>— ich hoͤre nichts als meine Gedanken — ich ſehe<lb/>
nichts als die Nachtſonnen, die uͤber den Himmel<lb/>
ziehen — ich vergeſſe die Schwaͤchen und die Fle¬<lb/>
cken meines Herzens, damit ich den Muth erhalte,<lb/>
mich zu erheben als waͤr' ich gut, als wohnt' ich<lb/>
auf der Hoͤhe, wo um den großen Menſchen wie<lb/>
Sternbilder nichts als Gott, Ewigkeit und Tugend<lb/>
liegen. Aber ich ſage zu denen, die beſſer ſind —<lb/>
zum ſtillen großen Herzen, das ſeine Pflichten <hirendition="#g">ver¬<lb/>
mehrt</hi>, indem es ſie <hirendition="#g">erfuͤllt</hi> und das ſich beim<lb/><hirendition="#g">Wachsthum ſeines Gewiſſens</hi> taͤglich blos mit<lb/>
groͤßern Verdienſten befriedigt — zu den hohen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Menſchen,<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[256/0266]
38. Hundspoſttag.
Die erhabene Vormitternacht — Die ſeelige Nachmitternacht —
Der ſanfte Abend.
Heute uͤbergeb' ich Emanuels laͤngſten Tag, der nun
erloſchen und abgekuͤhlt unter den Tagen der Ewig¬
keit liegt, mit bleichen Abriſſen den Phantaſien der
Menſchen. Meine Hand zittert und mein Auge
brennt vor den Szenen, die jetzt in Leichenſchleiern
um mich treten und ſo nahe an mir die Schleier
aufheben. — — Ich ſchließe mich heut Nacht ein
— ich hoͤre nichts als meine Gedanken — ich ſehe
nichts als die Nachtſonnen, die uͤber den Himmel
ziehen — ich vergeſſe die Schwaͤchen und die Fle¬
cken meines Herzens, damit ich den Muth erhalte,
mich zu erheben als waͤr' ich gut, als wohnt' ich
auf der Hoͤhe, wo um den großen Menſchen wie
Sternbilder nichts als Gott, Ewigkeit und Tugend
liegen. Aber ich ſage zu denen, die beſſer ſind —
zum ſtillen großen Herzen, das ſeine Pflichten ver¬
mehrt, indem es ſie erfuͤllt und das ſich beim
Wachsthum ſeines Gewiſſens taͤglich blos mit
groͤßern Verdienſten befriedigt — zu den hohen
Menſchen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/266>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.